300 Jahre J. S. Bach in Leipzig

Programmvorschlag für ein Weihnachtskonzert 2023

Die Advents- und Weihnachtszeit sah in Bachs Leipzig ganz anders aus, als wir es heute gewohnt sind: Der Advent – heute DIE Zeit der Advents- und (meist) Weihnachtskonzerte – war damals eine „stille Zeit“ ohne Musik. Umso großartiger muss den Gottesdienstbesucher*innen das gewaltige Programm vorgekommen sein, das Bach am 25.12.1723 in den beiden Leipziger Hauptkirchen zu Gehör brachte.

Mit der aus Weimar mitgebrachten Kantate Christen, ätzet diesen Tag BWV 63 (Carus 31.063) und nachmittags zusätzlich der erstmaligen Aufführung des Magnificat BWV 243a (Carus 31.243) mit den weihnachtlichen Einlagesätzen (BWV 243a, A–D, Carus 31.243/50) wurden gleich zwei großartige Highlights zu Gehör gebracht, die auch heute als Höhepunkte eines Weihnachtskonzerts taugen. Mit dem wohl ebenfalls am 25.12.1723 erstmals erklungenen Sanctus in D BWV 238 (Carus 31.238) als kleinbesetztem Werk in der Mitte lässt sich schon fast ein Konzert bestreiten (der im Sanctus verlangt Zink kann ggf. durch Aufteilung der Violinen auf 3 statt 2 Stimmen ersetzt werden).

Wenn gut eine Stunde Aufführungsdauer nicht reicht, kann man das Programm passend entweder durch die am 1. Advent 1723 erklungene Kantate Nun komm, der Heiden Heiland BWV 61 (Carus 31.061) zu Anfang oder auch festlich mit der Neujahrskantate Singet dem Herrn BWV 190.1 (Carus 31.190) vom 1.1.1724 beenden. Als reines Kantatenprogramm ohne Sanctus und Magnificat, dafür aber mit BWV 61, 63 und 190.1 kommt man ebenfalls auf gut eine Stunde. Statt der riskanten Es-Dur-Fassung des Magnificats BWV 243.1 empfiehlt sich die von Bach später entschärfte Fassung in D-Dur BWV 243.2 (Carus 31.243), zu der die weihnachtlichen Einlagesätze auch transponiert nach D erhältlich sind.

Der vorherrschenden Tonart D-Dur könnte man durch Einbeziehen der Kantaten zum 2. oder 3. Weihnachtstag 1723 (z. B. statt Sanctus und Magnificat) entkommen, würde dann aber Hörner (Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, BWV 40, 2. Feiertag, Carus 31.040) oder Zink und 3 Posaunen (Sehet, welch eine Liebe BWV 64, 3. Feiertag, Carus 31.064) zusätzlich benötigen (BWV 61, 63, 40 oder 64 und 190.1: ca. 90 Min.)

Sanctus in D
Johann Sebastian Bach
BWV 238, 1723 (?)
Carus 31.238

Sehet, welch eine Liebe
Johann Sebastian Bach
Kantate zum 3. Weihnachtstag BWV 64, 1723
Carus 31.064
Dr. Uwe Wolf ist als Musikwissenschaftler vor allem im 17. und 18. Jahrhundert zuhause. Seine Arbeitsschwerpunkte reichen von der Zeit Monteverdis und Schütz über Bach und die Generation der Bach-Söhne und -Schüler bis hin zur Wiener Klassik. Seit Oktober 2011 leitet er das Lektorat des Carus-Verlags. Zuvor war er über 20 Jahre in der Bach-Forschung tätig.

BWVAufführung 1723/24Dauer ca. Min.SoliChorBlech HolzStreicher, Bc
611. Advent18STBSATB2 Vl, 2 Va, Bc
631. Weihnachtstag30SATBSATB4 Tr, Timp3 Ob2 Vl, Va, Bc
2381. Weihnachtstag2SSATBCtto (col S)2 Vl, Va, Bc
2431. Weihnachtstag, nachmittags35SSATBSSATB3 Tr, Timp2 Fl, 2 Ob2 Vl, Va, Bc
(402. Weihnachtstag20ATBSATB2 Cor2 Ob2 Vl, Va, Bc)
(603. Weihnachtstag24SABSATBCtto, 3 TrbObda2 Vl, Va, Bc)
190.1Neujahr19ATBSATB3 Tr, Timp3 Ob, Fg2 Vl, Va, Bc

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