#NeustartChor

Wie kann ein positiver Neustart gelingen?

Ambitioniert, aber greifbar – das ist eine Maxime von Chorleiter Tristan Meister in dieser besonderen Zeit. Er hat für den CARUS Blog einige Tipps zusammengefasst, die helfen, die Arbeit mit dem Chor nach der langen Singpause wieder erfolgreich aufzunehmen.

 

Im ganzen Land sinken die Inzidenzzahlen und das weckt Hoffnungen in vielen Bereichen und Branchen. Nach einer unfassbar langen Durststrecke darf sich nun auch die Chorlandschaft auf Lockerungen freuen – aber einmal mehr gehen die Bundesländer hier sehr unterschiedlich vor. Einige sind vorsichtig und möchten zunächst hauptsächlich Proben im Freien erlauben, andere ermöglichen das Singen in Innenräumen mit begrenzter Teilnehmerzahl. Entscheidend ist nun, dass die Politik nachvollziehbare Regelungen vorgibt, die einerseits das Ansteckungsrisiko minimieren, andererseits aber auch ein sinnvolles musikalisches Arbeiten ermöglichen.

Natürlich überwiegt aktuell die Freude, dass überhaupt wieder etwas möglich ist und in den sozialen Medien kursieren viele Bilder und Videos von Open-Air-Proben auf Schulhöfen in der Abendsonne. Bald wird aber klar werden: Es geht nicht nur um das „ob“, sondern vor allem um das „wie“. Die vergangenen 15 Monate haben gezeigt, dass die Sängerinnen und Sänger bereit sind hohen Aufwand zu betreiben um gemeinsam Musizieren zu können. Nun erwarten sie zu Recht, dass die Weichen für qualitativ hochwertiges Arbeiten gestellt werden, dass Proben und Konzerte auch in größeren Besetzungen wieder möglich sind und dass sie bei der Beschaffung der dafür nötigen Ressourcen, wie Tests und ausreichend große Räumlichkeiten, unterstützt werden. Das gemeinsame Singen muss wieder positiv besetzt werden und als das angesehen werden, was es ist: Ein entscheidender Beitrag zur Hochkultur unseres Landes.

Tristan Meister arbeitet als freischaffender Dirigent und Dozent für Chorleitung an den Musikhochschulen Mannheim und Frankfurt am Main. Er ist Gründer und musikalischer Leiter des Ensemble Vocapella Limburg. Er gründete außerdem den semi-professionellen Kammerchor Vox Quadrata und dirigiert den Beethovenchor Ludwigshafen sowie das Wormser Kammerensemble. Darüber hinaus ist er als künstlerischer Leiter des Jugendchor Hochtaunus und der Knabenchöre des Cantus Juvenum tätig.

Viele Chöre waren auch in den schwierigen Zeiten aktiv und haben mit äußerst kreativen Videoprojekten dafür gesorgt, dass der Chorgesang nicht völlig aus dem Blickfeld verschwindet. Die ChoCo-Studie hat aber gezeigt, dass ein beträchtlicher Anteil der Ensembles nicht auf digitale Angebote zurückgegriffen hat und selbst bei denen, die durchgehend digital geprobt haben, konnten bei weitem nicht alle Sängerinnen und Sänger erreicht werden. Also sind die ersten Öffnungsschritte nun ein wichtiger Lichtblick für uns alle! Wie kann aber ein positiver Neustart gelingen?

Weiterhin gilt: Ziele setzen! Gerne ambitioniert, aber greifbar.

Sowohl für Sängerinnen und Sänger als auch für Chorleitende ist es nur kurzfristig schön, einfach ins Blaue hinein zu proben. Deutlich spannender ist es, wenn man sich ein greifbares Ziel setzt. Aktuell können das sommerliche Open-Air-Auftritte, Gottesdienstgestaltungen oder auch klein besetzte Konzerte in ausreichend großen Räumen sein. Die Literatur sollte eher ein wenig zu leicht als zu schwer sein und kurzfristige (Teil-)Erfolge ermöglichen. Der Fokus des Wiedereinstiegs sollte auf das „Ensemblesingen“ gerichtet sein, denn während digitale Formate durchaus den Vorteil mit sich brachten, dass die Sängerinnen und Sänger deutlich eigenverantwortlicher singen mussten, so konnte die wichtige Fähigkeit des Zusammensingens und Zusammenhörens oft nur schwer bis gar nicht geschult werden. Dafür eignen sich homophone Werke hervorragend, auch sollte man keine Scheu haben, mal auf ein einstimmiges Lied zurückzugreifen. Es wird in jedem Fall eine gewisse Zeit dauern bis sich wieder der gewohnt homogene Klang etabliert hat.

Daneben sollte ein weiterer Schwerpunkt des Wiedereinstiegs auf der stimmbildnerischen Arbeit liegen, denn selbst die fleißigsten TeilnehmerInnen der Online-Proben dürften im häuslichen Umfeld oft nicht die gleiche Souveränität und gesangstechnische Unterfütterung an den Tag gelegt haben wie in einer gut angeleiteten Präsenzprobe – von denjenigen, die seit vielen Monaten kaum gesungen haben ganz zu schweigen. Hierfür lohnt es sich auch in Einzel- oder Kleingruppenarbeit zu investieren.

Bei aller Freude über den Wiederbeginn dürfen wir natürlich auch nicht diejenigen vergessen, die sich in der aktuellen Situation noch nicht wohl dabei fühlen gemeinsam in größeren Gruppen zu singen, weil sie vielleicht noch kein Impfangebot bekommen haben oder bei den Zahlen in ihrer Region noch Unbehagen spüren. Ein Hybrid-Angebot wird auch aufgrund der Teilnehmerbeschränkungen für viele Chöre unumgänglich sein – hier sollte man sich rechtzeitig mit der digitalen Infrastruktur des Probenraums beschäftigen um böse Überraschungen zu vermeiden. Zuletzt gilt es natürlich auch, die Chorgemeinschaft wiederherzustellen.

Neben dem gemeinsamen Singen ist das ein zweiter wichtiger Faktor für viele Sängerinnen und Sänger, der sich letztlich auch auf die musikalische Arbeit auswirkt. Hier lassen sich auch bei entsprechend weiteren Lockerungen kleine Grillfeiern, Wanderungen oder auch zwanglose Liederabende planen – nach so viel Social Distancing dürften das unheimlich wichtige Aktionen für uns alle sein!

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Wie motiviere ich meinen Chor über den Bildschirm? Ein Online-Workshop mit Tristan Meister vom 20. Mai 2021

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