Wie ein alter Freund
Nikolai Ott begegnet den „Musikalischen Exequien“ von Heinrich Schütz immer wieder …
Lesen Sie, wie sich für Nikolai Ott aus dem ersten Kennenlernen mit den Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz eine Art Freundschaft zu diesen entwickelte …
Die Musikalischen Exequien waren eine meiner ersten Begegnungen mit der Musik Schützens. Bis auf zwei oder drei „Schlager“ der Geistlichen Chormusik war die Musik des Dresdner Kapellmeisters für mich Neuland.
Die Exequien entstehen 1635 als Begräbnismusik für Heinrich Posthumus Reuß, der sich im vorangegangenen Jahr heimlich einen Sarg hat fertigen lassen, beschriftet mit einer Kompilation aus Versen der Bibel und Strophen aus Chorälen, der Schütz als Textgrundlage dient. Schütz war zu diesem Zeitpunkt schon ein gestandener und geschätzter Komponist: zwei Italienreisen, die (wahrscheinliche) Begegnung mit Claudio Monteverdi und der Seconda Prattica, der Dreißigjährige Krieg und der frühe Tod seiner Frau haben ihn stark geprägt. Als Musik für ein Staatsbegräbnis seines Freundes und Mäzens, stehen die Exequien gewissermaßen für den Versuch, einen eigenen, mitteldeutschen Stil zu etablieren: Schütz verbindet im ersten Teil den aus Italien stammenden, „modernen“ monodischen Stil mit verwobenen Chorsätzen im franko-flämischen Madrigalstil und in den beiden Motetten die Praxis mehrchöriger Werke seines ersten Lehrers Gabrieli. Ein Versuch, der als Gesamtkonstrukt in der Begräbnis-Messe durchaus überzeugt: in ihrer Anlage ist sie symmetrisch und der Hörer umschreitet den Sarg zwei Mal. Die Zuversicht, die aus dieser Strecke spricht, ist inhaltlich und musikalisch eine der beeindruckendsten Auseinandersetzungen mit dem Tod. Die beiden anderen Motetten, also Teil zwei und drei der Musikalischen Exequien, behandeln den Predigttext der Leichenpredigt und das Canticum Simeonis.
Seit ich das Stück zum ersten Mal gehört habe, sind nun einige Jahre vergangen, doch es läuft mir immer wieder über den Weg: inzwischen habe ich es oft gesungen und einmal aufgeführt. Es hat auch sicherlich nicht unwesentlichen Anteil daran, dass ich Kirchenmusik studiert habe. Während meiner Arbeit an carus music, der Chor-App, hatte ich die Exequien wieder vor mir, um die Chorstimmen für die App bereitzustellen. Und ich habe einmal mehr festgestellt: Da gibt es immer wieder neue Wort-Ton-Konstruktionen, versteckte Imitationen in den Chorstimmen und harmonische Wendungen zu entdecken. Nur eines habe ich bis jetzt nicht darin gefunden: Leerlauf.
Nikolai Ott studiert an der Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen und arbeitet seit November 2014 als Werkstudent in der Abteilung Neue Medien.
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