Dvoráks „Bagatellen“
Hier erzählt Isabelle Métrope, was sie dazu bevog, Dvoráks „Romantische Stücke“ in einer Geigenprüfung zu spielen.
Lesen Sie, welche Erfahrungen unsere Mitarbeiterin Isabelle Métrope als Teenagerin bei ihrer Abschlussprüfung im Fach Geige an einer französischen Musikschule mit den „Romantischen Stücken“ op. 75 von Antonín Dvorák machte!
Als ich als Teenager meine Abschlussprüfung in Fach Geige an einer französischen Musikschule ablegte, galt es drei Werke vorzuspielen: den ersten Satz eines Standardkonzertes (Bruch, Mendelssohn…), einen Satz aus den Sonaten und Partiten von J. S. Bach und ein drittes Stück beliebiger Epoche und Stils, anhand dessen man musikalischen Ausdruck zeigen und so manchen Punkt nachholen konnte, den man in Hinblick auf Technik vielleicht nicht ganz erreicht hatte. Ich wählte als solches die Romantischen Stücke op. 75 von Antonín Dvorák.
Im Haus der Familie Dvorák in Prag wohnte ein Chemiestudent, der dilettantisch, aber voller Leidenschaft Geigenunterricht nahm. Ganz im Sinne der Hausmusik gesellte sich Antonín Dvorák, die Bratsche in der Hand und ein frisch komponiertes Terzett in der Tasche, zum Studenten und dessen Geigenlehrer. Das ist der Entstehungshintergrund der 4 kleinen Stücke, die später in abgewandelter Form eine ungeahnte Zukunft haben sollten.
„Ich schreibe jetzt kleine ,Bagatellen‘, denken Sie nur: für 2 Violinen und Viola. Die Arbeit freut mich ebenso, als wenn ich eine große Sinfonie schriebe. Die Stücke sind freilich mehr für Dilettanten gedacht, aber hat Beethoven und Schumann nicht auch einmal mit ganz kleinen Mitteln geschrieben, und wie…?“ So präsentierte Dvorák diese Komposition seinem Berliner Verleger Simrock, ehe er sie für Violine und Klavier umschrieb. Diese stark veränderte und anspruchsvollere Fassung betitelte er „Romantische Stücke“; von da an war von der Originalbesetzung nie mehr die Rede. 1887 wurde diese Fassung in Prag uraufgeführt und kurz danach bei Simrock veröffentlicht.
Der erste Satz der Romantischen Stücke mit der Bezeichnung „Allegro moderato“ macht dem Gesamttitel aller Ehre und eröffnet den Zyklus mit melancholischen Intervallen und intensiven melodischen Linien. In Kontrast dazu steht der zweite Satz, ein trotziges „Allegro maestoso“, dessen tänzerischer aber stolzer Charakter es zu einem besonders anspruchsvollen Satz macht. Das ruhigere Ende bereitet den Weg zum darauffolgenden klangschönen „Allegro Appassionato“. Dem musikalischen Höhepunkt, bei Oktav-Doppelgriffe erklingen, folgt der seufzende letzte Satz, ein Larghetto, dessen rhythmisches Motiv (zwei Achtel mit einem Sechzehntel-Vorhalt) in verschiedenen Dynamikstufen das ganze Stück begleitet. Dieser musikalische Ausdruck der Trauer wirkt trotz des rhythmischen Leitmotivs keineswegs ermüdend – bleibt allerdings mit dem Schlusston der Geige auf der Dominante unerlöst…
Trotz der anfänglichen Bescheidenheit des Komponisten sind die Romantischen Stücke zu einem beliebten Zyklus geworden, welcher hinter seinem einfachen Anschein gleichermaßen anspruchsvoll und ergreifend ist.
Isabelle Métrope studierte Musikmanagement, Chorleitung sowie Gesangspädagogik und arbeitet seit September 2014 bei Carus im Bereich Kommunikation und Veranstaltungen.
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