Arrangeur, Flötist, Chorsänger

9 Fragen an Joachim Linckelmann, den Bearbeiter großer Werke für kleine Besetzung

Aufgrund des eingeschränkten Notenmaterials für Bläserquintett begann Joachim Linckelmann bereits zu Studienzeiten mit dem Arrangieren größerer Werke in kleinerer Besetzung, heute ist er für viele der Arrangements in unserer Kategorie „Große Werke in kleiner Besetzung“ verantwortlich.

1. Wie sind Sie zum Arrangieren großer (Chor-)Werke gekommen bzw. was war Ihre erste Bearbeitung?

Mit den Bearbeitungen für Bläserquintett hatte ich schon zu meiner Studienzeit begonnen, da unserem damaligen Quintett die Originalliteratur zu eingeschränkt erschien. Die ersten Arrangements für Chor und kleines Ensemble entstanden 2009 auf Anregung des Chorleiters Johannes Tolle, damals Leiter des John Sheppard Ensemble Freiburg, einem Chor von ca. 35 Sängerinnen und Sängern. Das Erste war die Bearbeitung von Mendelssohns Schauspielmusik zu Athalia. Da wurde das gesamte Orchester auf ein Bläserquintett reduziert. Das macht den Spieler*innen viel Vergnügen, erfordert aber auch einiges an Kondition.
Das hatte dann so gut funktioniert, dass mich Johannes Tolle gefragt hat, ob ich mir auch das Deutsche Requiem von Johannes Brahms in einer verkleinerten Instrumentierung vorstellen könnte, da die Originalfassung für großes Orchester allein wegen der Chorgröße nicht möglich gewesen wäre und Brahms’ eigene Klavierreduktion ja doch nur ein Behelf ist. Bläserquintett alleine wäre hier definitiv nicht mehr ausreichend gewesen, sodass es zu der Besetzung mit Streichquintett, Bläserquintett und Pauke kam. Die Uraufführung 2009 fand mit einfacher Streicherbesetzung statt, was sich auch im Arrangement niederschlägt, bei dem etwa zu Beginn der Nummer 1 das Fagott eine Stimme der Divisi-Violoncelli übernimmt. Heutzutage wird das Arrangement meist mit mehrfacher Streicherbesetzung aufgeführt.

2. Wie lange „tüfteln“ Sie an einer Bearbeitung wie z.B. Mendelssohns „Elias“ für reduzierte Instrumentalbesetzung?

Das ist in der Tat schwer zu beantworten. Mit „Tüfteln“ alleine ist es auch gar nicht getan, weil ein nicht unerheblicher Teil der Arbeit „Fleißarbeit“ ist, nämlich das Erfassen des gesamten Notentextes. Bis man alle Noten und Texte der Sänger, Streicher und Pauken (die alle – bis auf wenige Ausnahmen in den Streichern – die Originalmusik behalten) im Notensatzprogramm erfasst hat, vergeht bei einem Elias schon einiges an Zeit. Insgesamt zieht sich die Arbeit an einem solchen Werk dann über mehrere Monate hin.

3. Inwieweit hilft Ihnen beim Arrangieren, dass Sie selbst Holzbläser (Flötist) sind?

Ich wüsste nicht, wie ich ohne den Hintergrund als Orchestermusiker die Bearbeitungen, so wie sie jetzt geworden sind, hätte erstellen können. Auch die Kenntnis der anderen Instrumente, mit denen ich über Jahre zusammen gespielt habe, ist für mich entscheidend. Bei den Korrekturarbeiten werde ich beispielsweise manchmal gefragt, ob man bei dieser oder jener Passage Oboe und Flöte nicht lieber vertauschen solle, da die Töne für die Flöte etwas tief wären. Wenn aber Oboe und Flöte zusammen eine Passage von zwei Oboen des Originals wiedergeben, ist es besser, die Oboe die erste Oboe und die Flöte die zweite Oboe spielen zu lassen, da das im Gesamtergebnis mehr nach Oboen klingt und somit näher am Original ist. Als Flötist weiß ich dann, dass man heutzutage auf modernen Instrumenten auf der Flöte auch im tiefen Register einiges an Klangvolumen erzeugen kann (was zu Brahms’ oder Mendelssohns Zeit so nicht möglich gewesen wäre).

4. Komponieren Sie auch eigene Werke?

Das habe ich früher mal ein bisschen gemacht, jetzt aber schon lange nicht mehr. Ich bin also allen Komponisten, deren Werke sinnvoll arrangiert werden können, sehr dankbar.

5. Sind Sie selbst auch aktiver Chorsänger?

Seit gut drei Jahren singe ich im Extrachor des Stadttheaters Freiburg mit; davor war es vor langer Zeit nur der Schulchor…
Als Orchestermusiker kenne ich die „Grabenperspektive“; nun auch die der Sänger*innen auf der Bühne. Mit dieser Erfahrung habe ich ein größeres Verständnis dafür entwickelt, warum ein Opernchor leicht mal etwas hinterher singt. ;-)

6. Welche Komponist*innen inspirieren Sie ganz besonders?

Diese Frage wird gerne bei solcher Gelegenheit gestellt; ich habe jedoch weder eine Lieblingsfarbe noch ein Lieblingsessen. Gleiches gilt für Komponist*innen.

7. Gibt es für Sie Kompositionen, von denen Sie die Finger lassen, die man nicht oder schwer bearbeiten kann und sollte?

Als erste Einschränkung würde ich zunächst das Urheberrecht nennen. Ohne die Einwilligung der jeweiligen Rechteinhaber kann ich nur Werke von Komponisten arrangieren, die schon länger als 70 Jahre verstorben sind. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das ist keinesfalls eine Kritik am Urheberrecht, welches ich selbstverständlich unterstütze und für sehr sinnvoll erachte.
Das extremste Beispiel für ein Oratorium, das zwar zum Arrangieren noch übrig wäre, aber so dermaßen von der ausufernden Orchestrierung und nicht unbedingt so sehr vom musikalischen Gehalt lebt, wäre das Requiem von Hector Berlioz, mit Vier- bzw. Achtfach-Holzbläsern, 12 Hörnern, 16 Pauken und 108 Streichern. Hier heißt es Original oder gar nicht.
Bei den Mahler-Sinfonien mit Chor bin ich mir noch nicht ganz sicher…

8. Verraten Sie uns Ihr Projekt, an dem Sie im Moment arbeiten?

Nach dem Erscheinen des Verdi-Requiem und Mendelssohns Elias im letzten Jahr sowie des Paulus in diesem Jahr sind die „großen Brocken“ fast alle geschafft. Im vergangenen Sommer habe ich die Es-Dur-Messe von Schubert arrangiert; das Erscheinungsdatum bei Carus ist noch unbekannt. Mir war diese Messe zuvor auch nicht bekannt, was sich als bedeutende Lücke herausgestellt hat. Das ist sehr bewegende und auch richtig moderne Musik; allein die wilden Modulationen im „Sanctus“ könnte man eins zu eins als hochdramatische Filmmusik übernehmen. Wäre das „Et incarnatus est“ ein Popsong, so würde es wochenlang die Charts anführen.
Zum zweiten Mal wegen Corona verschoben gibt es nun zum nächsten Weihnachten mit der Camerata Vocale Freiburg unter der Leitung von Winfried Toll (der meine Bearbeitung von Beethovens Missa solemnis in Südkorea uraufgeführt hat) ein Humperdinck-Programm. Dafür habe ich den zweiten Akt aus Hänsel und Gretel, Ausschnitte aus Dornröschen und Die Wallfahrt nach Kevlaar arrangiert, sowie dazu noch von Max Bruch Gruß an die Heilige Nacht.
Außerdem ist eine Fassung des Fauré-Requiems in Arbeit, die ohne Orgel auskommt.

9. Wenn Sie nicht musizieren oder arrangieren, dann …

… gehe ich meiner Haupterwerbstätigkeit als Notengrafiker nach. Wenn das geschafft ist, lockt der nahe Schwarzwald mit seinen vielfältigen Naturerlebnissen. Am liebsten werden die in Sichtweite liegenden Gipfel des Kandel oder des Schauinsland erklommen, von wo es dann mit dem Gleitschirm weitergeht, manchmal gemeinsam mit Bussard, Milan oder auch Wanderfalken kreisend, die es hier alle gibt.

Joachim Linckelmann, geb. 1964 in München, studierte Querflöte am Richard-Strauss-Konservatorium München und an der Musikhochschule Würzburg. Er war Flötist verschiedener namhafter Orchester im In- und Ausland und arbeitet seit 1995 außerdem als Notengrafiker und Arrangeur. Seit 2009 bearbeitet er für Carus Oratorien für kleinere Besetzungen. Seit 2018 ist er Mitglied im Extrachor des Stadttheater Freiburg.

Brahms: Ein deutsches Requiem
Bearbeitung für Kammerorchester (arr. J. Linckelmann)

Mendelssohn: Elias
Bearbeitung für Kammerorchester (arr. J. Linckelmann)

Beethoven: Missa solemnis
Bearbeitung für Kammerorchester (arr. J. Linckelmann)

Große Werke in kleiner Besetzung (arr. J. Linckelmann)

Beethoven: Missa solemnis

In ihrem Umfang und musikalischen Anspruch reicht die Missa solemnis weit über das liturgisch Übliche hinaus; die Uraufführung fand nicht ohne Grund in einem Konzertsaal statt. Mit der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Trompete, Posaune, Pauke und Streicher sowie Orgel ad libitum) können nun auch kleinere Chöre und Chöre mit begrenzten räumlichen oder finanziellen Möglichkeiten dieses Werk aufführen, wobei der sinfonische Charakter sowie eine hohe dynamische Bandbreite erhalten bleiben.

Brahms: Ein deutsches Requiem

Die originale Orchesterfassung hat Brahms für einen Chor von über 200 Sängern konzipiert. Die meisten Aufführungen werden mit jedoch viel weniger Sängern realisiert, sodass es zu einem deutlichen Ungleichgewicht zu dem sehr stark besetzten Orchester kommt. Die vorliegende Bearbeitung für Kammerorchester entschärft diese Problematik und so können auch kleinere Chöre und Chöre mit begrenzten räumlichen oder finanziellen Möglichkeiten das beliebte Werk aufführen. 

Dvorák: Messe in D

Die Messe in D von Antonín Dvorák, ursprünglich für Soli, Chor und Orgel komponiert, wurde erst mit der späteren Orchestrierung durch den Komponisten sehr populär. Die neue Bearbeitung für Bläserquintett (Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott) bietet nun neben den beiden originalen Versionen mit Orgel und mit großem Orchester eine dritte Fassung.

Dvorák: Stabat Mater

Antonín Dvoráks eindrucksvolles Stabat Mater für Soli, Chor und Orchester ist wohl das bekannteste unter den geistlichen Werken des Komponisten. Mit der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester (Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott, Pauke und Streicher) erhalten auch kleinere Chöre die Möglichkeit, dieses Werk aufzuführen, ohne dass der Chor durch ein groß besetztes Sinfonieorchester unterginge, wobei der sinfonische Charakter aber trotzdem erhalten bleibt.

Mendelssohn: Elias

Mendelssohn - Elias Mendelssohns Oratorium Elias entstand zu einer Zeit, in der sich große Singvereine bildeten und Musikfeste mit Hunderten von Sänger*innen sehr in Mode waren. Mit der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester können nun auch kleinere Chöre und Chöre mit begrenzten räumlichen oder finanziellen Möglichkeiten dieses Werk aufführen. 

Mendelssohn: Paulus

Mendelssohns Paulus mit nur sieben statt der üblichen 18 Blasinstrumente? Dank der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester ist dies jetzt möglich und nicht nur in Corona-Zeiten eine attraktive Alternative für die Aufführung von Mendelssohns erstem Oratorium.  

Puccini: Messa a 4 voci con orchestra

Puccini komponierte seine „Messa di Gloria“ in den Jahren 1878–1880. Die musikalische Qualität, der Schwung und die Frische dieses Jugendwerkes veranlassten den Komponisten, in späteren Opern seine Messa zu zitieren und sicherten dem Werk eine stetig wachsende Beliebtheit. Mit der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester erhalten mehr Chöre die Möglichkeit, dieses Werk aufzuführen.

Puccini: Stabat Mater

Nach seinem frühen Abschied von der Opernbühne im Jahre 1829 komponierte Gioachino Rossini neben Kammermusik nur noch größer besetzte Kirchenmusik. Zu dieser gehört das Stabat Mater, das in zwei Arbeitsphasen zwischen 1831 und 1841 entstand und 1842 in Paris uraufgeführt worden ist. Mit der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester erhalten auch kleiner besetzte Chöre die Möglichkeit, dieses Werk aufzuführen, ohne dass der Chor durch ein groß besetztes Sinfonieorchester unterginge, wobei der sinfonische Charakter aber trotzdem erhalten bleibt.

Verdi: Messa da Requiem

Verdis Requiem ist eines der Werke, die nahezu jeder Chor (mindestens) einmal gesungen habe möchte. Mit der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester können nun auch kleinere Chöre sowie Chöre mit begrenzten räumlichen und/oder finanziellen Möglichkeiten dieses beliebte Werk musizieren.

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