Mit dem Chor einen mutigen Neustart wagen!

Gestatten wir uns eine positive Haltung

Wie aktuell wohl alle Chorleiter*innen hat Michael Reif sich die Frage gestellt, wie er es schaffen kann, nach der langen Singpause mit seinen Chören wieder durchzustarten. Von der Mobilisierung der Sänger*innen, der Programmauswahl bis hin zu flexibleren Probenmodellen – hier lässt er uns an seinen Überlegungen teilhaben.

Liebe Leser*innen! In diesem 2. Beitrag im Carus-Blog möchte ich mich erneut zu Wort melden, denn wir sind auf dem Sprung in ein neues Chorzeitalter!

Bitte erwarten Sie keine allgemeingültigen Rezepte. Im Folgenden habe ich meine Überlegungen festgehalten, die ich z.T. mit den Chorvorständen und den Chormitgliedern angestellt habe und für meinen Weg grundsätzlich wurden. Mögen diese Ansätze Ihre eigene Kreativität anregen.

Ich gestatte mir jetzt – wie vor einem Jahr – eine positiven Grundhaltung. Das macht mir und anderen die Arbeit leichter und erfreulicher, denn ich will mit meinem Chor in Schwung kommen und eine deutlich positive Haltung zum Singen in der Gemeinschaft schaffen!

Doch wie gelingt uns das und wie machen wir unsere Chöre fit für die Zukunft?

Ein kurzer Blick zurück…

Michael Reif ist Gründer und Leiter des Europäischen Kammerchores und der Kölner Kurrende. Stilistische Vielfalt, Neugier auf Unbekanntes, umfassende Recherche und ein tiefes musikalisches Verständnis sind unverwechselbare Kennzeichen seiner Interpretationen.

Das Jammern

Die Pandemie stellte (und stellt!) Chöre und Chorleiter*innen vor neue, ungeahnte Herausforderungen. Wir waren es gewohnt in einer wunderbaren Tradition des Chorsingens zu leben, mit unseren Chören eigene Akzente zu setzen und mit ihnen in der Öffentlichkeit einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Leben in der Stadt, im Konzertleben der Gemeinde oder auch im dörflichen Miteinander zu leisten.
Doch plötzlich – seit Beginn der Coronapandemie – sind wir von unserer Arbeit ausgeschlossen und auf ein digitales Dasein im Chor reduziert oder gar zur Pause verdammt.

Wir wissen alle nur zu gut, was diese Situation mit uns Chorleiter*innen gemacht hat, aber was bedeutet das für unsere Chöre? Immer wieder höre ich von Chormitgliedern, von Kolleg*innen und auch von mir selbst ein ehrliches Jammern und es tut gut, in Gesprächen mit dem Chor und mit Kolleg*innen das rauszulassen, aber Nutzen und Lösungen bringt das nicht. Einfach so weitermachen wie vorher, das wird nicht funktionieren! Viele Chormitglieder haben wir mit elektronischen Tools nicht erreicht, die haben über ein Jahr nicht geprobt, haben andere Freizeitinteressen ausgelebt und im schlimmsten Falle wissen wir nichts von ihnen!

Gerade die engagierten Chorteilnehmer*innen wollen jetzt entweder ganz viel machen oder – im Gegenteil – nicht mehr so viel Stress wie vor Corona haben; d.h. sie wollen weniger machen, sie sind älter geworden, nicht mehr so im Training oder haben andere Interessen entwickelt. Manchen Chormitgliedern ist es einfach zu mühsam noch einmal durchzustarten, weil die Pandemie ja schon alle Kräfte absorbiert hat und im letzten Jahr immer wieder Hoffnungen auf ein gemeinsames Musizieren zerstört wurden. Ihnen fehlt die Motivation!

Über 4.300 Chöre aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben im März 2021 an der von Carus mit-initiierten ChoCo-Studie zur Auswirkung der Pandemie auf die Chorarbeit teilgenommen. Die Ergebnisse zeigen, in welchen Bereichen das Chorleben trotz zahlreicher kreativer und corona-konformer Ansätze in der Pandemie am meisten gelitten hat. Die Autorinnen und Autoren der ChoCo-Studie 2021 sehen das Chorsingen und damit einen Teil des immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes gefährdet. Sie sehen akuten Handlungsbedarf, um den von der Pandemie besonders stark betroffenen Chören einen realistischen, erfolgreichen Neustart zu ermöglichen.
> Prämissen für eine Zukunft der Chorlandschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Genug!

Wir müssen überlegen: Was brauchen unsere Chöre und was ist zu tun, um unsere Chöre wieder zum gemeinsamen Singen zu bringen? Engagement, Leistungsbereitschaft und viel positive Energie sind jetzt nötig!

Denn die Lust zu singen und im Chor Musik zu machen ist sehr, sehr groß. Alle vermissen das Singen, vermissen das erfüllende Gefühl Musik gemeinsam zu gestalten, im gemeinsamen Klang aufzugehen, nach musikalischen Idealen zu streben. Diese Seite unseres Lebens ist wirklich zu kurz gekommen in den letzten 1 1/2 Jahren. Wagen wir den Neustart!

Ein erstes Date

Gemeinsam mit den Chorvorständen und den Chormitgliedern müssen wir ins Gespräch kommen und nach Möglichkeiten suchen, aus der Krise heraus zu kommen. Dabei ist es entscheidend, den richtigen Weg für meinen Chor zu finden. Ein erstes Treffen sollte Möglichkeiten zum Austausch bieten, die Situation des Chores beleuchten und Raum geben, Ideen zu sammeln, möglichst ohne Angst vor Ansteckung, also im Freien oder in kleinen Gruppen. Die Kreativität aller ist gefragt, um Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Dabei ist es wichtig gemeinsame Wünsche zu äußern und Ziele zu finden.

Analyse des Jetzt – Wege in die Zukunft

Zu Beginn unseres Neustarts sollte eine realistische Analyse stehen, die deutlich macht, wie die Situation des Chores ist; d.h. personell – finanziell – stimmlich.

Welche Chormitglieder werden den Neustart mitgestalten und was braucht mein Chor? Vielleicht müssen Chormitglieder aktiviert werden, die den digitalen Wandel nicht mitvollzogen und ein Jahr nicht gesungen und geprobt haben. Darüber hinaus ist jetzt die beste Zeit Werbemaßnahmen für neue Chorsänger*innen zu starten.

Wie sind die finanziellen Ressourcen meines Chores? Wer kümmert sich um öffentliche Gelder, Subventionen und Corona-Starthilfen und welche gibt es überhaupt? (Die Chorverbände haben hierzu schon gute Informationen veröffentlicht.)

Wie ist die stimmliche Verfassung meines Chores und welche Konzerte sind in welchem Zeitrahmen realistisch zu bewältigen?

Planen – Wege suchen – Meinen Weg finden

Die folgenden Fragestellungen sind mir in diesem Zusammenhang deutlich geworden:

  • Welche Erwartungen habe ich an den Chor?
  • Welche Erwartungen hat der Chor an mich?
  • Welche Schnittmengen ergeben sich hieraus?
  • Mit welchen Chorsänger*innen kann ich rechnen?
  • Wie kann ich die Chormitglieder zur Teilnahme motivieren?
  • Wie kann ich meinen Chormitgliedern Mut machen an den Proben teilzunehmen, denn während Corona hieß es: Chorsingen ist gefährlich!
  • In welcher Form kann ich die Mitwirkung der Chorsänger*innen abfragen?
  • Welches Vorstandsmitglied ist Ansprechpartner*in für die unsicheren und ängstlichen Chorsänger*innen?
  • Wie wird die Besetzung sein?
  • Welche Werke sind machbar?
  • Welche Proberäume bieten sich an?
  • Wo kann ich sofort mit der Probenarbeit beginnen – vielleicht in einem Parkhaus, in einem Kreuzgang einer Kirche oder in einer Schulaula?
  • In welcher Form kann ich dem Chor Angebote schaffen, um wieder „ins Singen reinzukommen“?
  • Stimmbildung muss jetzt verstärkt angeboten werden, um meinen Chor wieder „fit“ zu machen.
  • Was kann ich als Chorleiter*in leisten?
  • Wo brauche ich Hilfe von außen und kann Fachleute einbinden?
  • In der Kommunikation mit dem Chor: Ziele formulieren und Teil-Ziele als Motivationsanker
  • Die eigene Arbeit durch Weiterbildung bereichern!

Nochmals: Hinter allen Fragestellungen steht die Idee eine gemeinsame Perspektive für die Chorarbeit zu entwickeln!

Das richtige Programm für meinen Chor finden

Sehr schnell wurde mir klar, dass ich die Lust meines Chores am gemeinsamen Musizieren und am sozialen Miteinander nutzen muss, um Motivation zu säen. Anknüpfungspunkte an erfolgreiche Aufführungen zu finden oder mal etwas ganz NEUES auszuprobieren, können hier hilfreiche Wege sein. Doch dazu muss ich alle Möglichkeiten zur Programmauswahl nutzen und mich dafür „fit“ machen.

Der Online-Workshop des Carus-Verlags im Mai mit Simon Halsey zum Thema „Große Werke in kleiner Besetzung“ war dabei eine große Inspirationsquelle. Er stellte mit größtem Sachverstand und Herz Werke für Chor und Orgel und Werke mit kleiner Orchesterbesetzung vor, die gerade jetzt eine hervorragende Alternative darstellen. Das Verlagsprogramm von Carus entpuppte sich bei genauer Recherche als wahre Fundgrube für wunderbare kleinbesetzte Werke, Werke mit kleiner Orchesterbesetzung, Werke für Chor und Orgel und vieles andere mehr!

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Unter dem Titel „Große Chorwerke in kleiner Besetzung. Von Bach bis Verdi“ stellt Ihnen der renommierte Chorexperte Simon Halsey große Chorwerke in kleinen Besetzungen vor. Dies ist eine Aufzeichnung des Online-Workshops vom 23. April 2021.

Chorpoben sicher durchführen und Zeit gestalten

Damit wir in der Pandemie Chorproben gestalten können, müssen wir neue Probenkonzepte entwickeln, die alle Möglichkeiten nutzen, um vielfältig mit unserem Instrument zu arbeiten und Vertrauen zu schaffen! Dazu gehören natürlich Tests. Die Chormitglieder müssen (selbstverständlich negativ) getestet zur Chorprobe kommen. Dazu nutzen wir die öffentlichen Testzentren und stellen unseren Mitgliedern Schnelltests zur Verfügung, damit sich alle Chorsänger*innen in der Probe sicher fühlen können.

Natürlich müssen die allgemeinen Coronaschutzmaßnahmen berücksichtigt werden, es sind Raumgröße, Belüftung und Abstände einzuhalten und natürlich bleiben Masken und Händewaschen unsere ständigen Begleiter.

Wir haben angefangen

Die jetzigen Coronazahlen ermöglichen einen Einstieg in die Probenarbeit mit kleinen Gruppen. Das stiftet Motivation und schafft Vertrauen in die gemeinsame Arbeit. Die wöchentlichen Probenzeiten müssen flexibler als vor Corona gestaltet werden, um die Arbeit mit kleinen Gruppen zu berücksichtigen, damit wir von Probe zu Probe auch mit wechselnden Chormitgliedern arbeiten können. Die Zusammensetzung der Gruppe bietet Möglichkeiten Stimmproben, Register- und Tuttiproben im kleinen Kreis abzubilden. Mit geringem technischem Aufwand können diese Präsenzproben für die Mitglieder, die noch nicht zur Probe kommen können oder wollen in digitaler Form übertragen werden. In wenigen Tagen werden wir mit 20 Chormitgliedern arbeiten können und wenn sich die Inzidenzwerte weiter positiv entwickeln, sind sicherlich mittelfristig Proben mit 50 Sänger*innen auch wieder möglich.

Das Ziel

Wir brauchen jetzt einen mutigen Neustart, um das Chorleben wiederzuerwecken!

Wir müssen unsere Chöre aus dem öffentlich verordneten Dornröschenschlaf wecken und um Zuversicht und Vertrauen in die Gruppe werben. Ein umsichtiges Handeln und die Umsetzung der notwendigen Schutzmaßnahmen werden das Vertrauen der Chormitglieder in den Neustart stärken.

Wir müssen aber auch an die Öffentlichkeit treten und die Gesellschaft um Unterstützung bitten, damit unsere vielfältige und einzigartige Chorkultur befruchtet und neu aufleben kann.

Haben wir den Mut, den Neustart nach der Pandemie als Chance zu nutzen und machen wir unsere Chöre fit, indem wir ihnen ein sängerisch-musikalisches Angebot machen. Jeder braucht jetzt eine intensive Stimmbildungsarbeit und alle möglichen Hilfen, um die Fähigkeiten des Ensemblesingens und des Ensemblehörens wieder „auf Vordermann zu bringen“. Bauen wir die Konzentrationsfähigkeit für intensive Chorproben wieder auf!

Wir werden die Chorarbeit in Präsenz mit vielen Hoffnungen und Erwartungen wieder aufnehmen und trotz der Probleme die vor uns stehen großen Spaß an „richtigen Proben“ finden. Wir fiebern innerlich schon auf das nächste Konzert zu!

Aber das ist Zukunftsmusik auf dem gemeinsamen Weg, den wir gestalten!

Unsere Arbeit ist der Schlüssel für die Zukunft des Chorsingens!

Köln, den 05.06.2021

Mit kollegialen Grüßen,

Ihr
Michael Reif

Große Werke in kleiner Besetzung

Beethoven: Missa solemnis

Beethoven bezeichnete die Missa solemnis mehrfach als sein größtes Werk. „Von Herzen kommend“, sollte es die Menschen berühren und bewegen. Lange und intensiv hatte Beethoven sich mit der Komposition beschäftigt, um dem Text einen – in seinem Sinne – adäquaten Ausdruck zu verleihen. Mit der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Trompete, Posaune, Pauke und Streicher sowie Orgel ad libitum) können nun auch kleinere Chöre und Chöre mit begrenzten räumlichen oder finanziellen Möglichkeiten dieses Werk aufführen, wobei der sinfonische Charakter sowie eine hohe dynamische Bandbreite erhalten bleiben.

Brahms: Ein deutsches Requiem

Die originale Orchesterfassung hat Brahms für einen Chor von über 200 Sängern konzipiert. Die meisten Aufführungen werden mit jedoch viel weniger Sängern realisiert, sodass es zu einem deutlichen Ungleichgewicht zu dem sehr stark besetzten Orchester kommt.

Brahms: Schicksalslied

Brahms hat mit seinem Schicksalslied, inspiriert vom Text Friedrich Hölderlins, in ganz persönlicher Umdeutung des Schicksalsgedankens ein zeitloses Stück Musik geschaffen, das im Konzertsaal genauso wie im Kirchenraum zu beeindrucken weiß.

Bruckner: Te Deum

2015 ist bei Carus die Originalfassung des Bruckner’schen Te Deum für Solisten, Chor und großes Orchester erschienen (Carus 27.190). Um das Werk in kleinerer Besetzung aufführbar und so einem weiteren Benutzerkreis zugänglich zu machen, legt Carus auch eine Bearbeitung für Blechbläserquintett und Orgel von Johannes Ebenbauer vor.

Dvorák: Stabat mater

Mit der vorliegenden Bearbeitung für Kammerorchester (Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott, Pauke und Streicher) erhalten auch kleinere Chöre die Möglichkeit, dieses Werk aufzuführen, ohne dass der Chor durch ein groß besetztes Sinfonieorchester unterginge, wobei der sinfonische Charakter aber trotzdem erhalten bleibt. Diese Besetzung bietet eine optimale Balance von Durchsichtigkeit und orchestralem Klang.

Franck: Psalm 150

Der Psalm 150 von 1884 ist eine Komposition aus der schöpferischen Reifezeit César Francks. Auf engem Raum treten die charakteristischen Merkmale seines Stils in Erscheinung: die betont symphonische Sprache, die kühne, unverwechselbare, von Chromatik getragene Harmonik und die eigenwillige formale Gestaltung.

Gounod: Requiem in C

Fassung für kleines Orchester. Das vorliegende Requiem komponierte Charles Gounod unter dem Eindruck des Todes seines vierjährigen Enkels Maurice. Laut Überlieferung ereilte ihn sein eigener Tod bei der letzten Detailarbeit an diesem Werk. 1895 wurde es posthum von seinem Schüler Henri Busser in verschiedenen Bearbeitungen herausgegeben.

Haydn: Die Schöpfung

Mit dieser Bearbeitung ist es möglich, das Werk in kleineren Verhältnissen aufzuführen. Charakteristisch für Haydns Orchestersatz ist die Klangmalerei in leuchtenden Farben.

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