Spektakuläre Werke und innige Kompositionen vereint
Prof. Dr. Meinrad Walter ist begeistert von Heinrich Schütz‘ Musikalischen Exequien
Ein Glaubensdrama in Musik, im Angesicht des Todes, denn Schütz komponiert, indem er „dramatisiert“: Die Exequien von Schütz sind insgesamt ein Werk von Trauer und Trost – Barockmusik, die Meinrad Walter, Professor für Theologie und Liturgie an der Musikhochschule Freiburg, in ihrer affektvollen Eindringlichkeit und ihrer großartigen Bibelauslegung auch heute berührt.
In der Barockmusik gibt es spektakuläre Werke und innige Kompositionen. Die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz sind beides. Oder gibt es vielleicht sogar eine Art „spektakuläre Innerlichkeit“?
„Exequien“ kommt von exsequi, hinausgeleiten, und meint seit alters her den Trauerzug mit dem Sarg zum Grab mitsamt der Musik, die dabei erklingt, etwa die Antiphon „Zum Paradies mögen Engel dich geleiten“ (In paradisum). Der verstorbene Fürst Heinrich Posthumus Reuß (1572–1635) hat seine eigene Begräbnisfeier minutiös zu Lebzeiten geplant: Er hat den Prediger beauftragt und seinen Sarg mit vielen Bibelstellen „zieren“ lassen. Ebendiese Bibelverse und Liedstrophen hat Heinrich Schütz im fürstlichen Auftrag vertont. Das Ergebnis ist eine der berühmtesten Trauermusiken in drei Teilen.
Alle Sinne wirken mit, wenn man – im Geiste zumindest – um den Sarg herum geht. Dann ist umlaufend aus dem biblischen Buch der Weisheit im Wortlaut der Luther-Bibel zu lesen: „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand und keine Qual rühret sie an; für den Unverständigen werden sie angesehen, als stürben sie, und ihr Abschied wird für eine Pein gerechnet, und ihr Hinfahren für Verderben; aber sie sind in Frieden!“ Denn: „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand …“
Heinrich Schütz komponiert, indem er „dramatisiert“. Er macht den Chor zur Stimme dieses weisheitlichen Spruches der Sterbekunst (ars moriendi). Vor allem macht er den Bassisten zum Unverständigen, der nicht nur singt, sondern auch hört, weil der Glaube vom Hören kommt (Römer 10,17). Zwei Soprane singen ihm fast einschmeichelnd die Verheißung zu: „… aber sie sind in Frieden“. Und am Ende singt das Bassist mit, weil er sich die Botschaft musikalisch-biblisch aneignen konnte. Ein Glaubensdrama in Musik, im Angesicht des Todes.
Im dritten Teil des Werkes deckt Schütz auf, wer mit dieser Besetzung Bass und zwei Soprane gemeint ist: die „beata anima cum seraphinis“, die glückliche Seele mit den Seraphim, die sie auf dem letzten Weg zu Grab und Vollendung mit dem Gesang des „In paradisum“ begleiten. Diese Exequien sind insgesamt ein Werk von Trauer und Trost – Barockmusik, die mich in ihrer affektvollen Eindringlichkeit und ihrer großartigen Bibelauslegung auch heute anspricht.
Prof. Dr. Meinrad Walter ist Kirchenmusikreferent der Erzdiözese Freiburg und lehrt Theologie und Liturgik an der Freiburger Musikhochschule. In zahlreichen Workshops und Publikationen beschäftigt er sich mit dem Grenzgebiet von Musik und Spiritualität.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!