Unsere Erde
Musik zum Weiterdenken
Wie kann Musik das Nachdenken über die Erde und ihren Schutz fördern? Zahlreiche Werke für Kinder- und Jugendchöre greifen diese Frage auf und verarbeiten sie auf ganz unterschiedliche Art. Auch Carus macht hier keine Ausnahme. Unsere Lektorin Kathrin Schweizer stellt Ihnen einige Werke vor, die sich thematisch mit dem Schutz des Planeten beschäftigen.
In den letzten Jahren wurden Musiker*innen immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, dass ihre Arbeit für die Gesellschaft nicht relevant sei. Zwangsläufig ergibt sich daraus die Frage, was für die Gesellschaft wichtig ist und wie genau eine Gesellschaft aussehen sollte, die für alle Lebewesen bestmöglich funktioniert. Die Antworten auf diese Fragen sind nicht immer leicht zu finden und werden sich ziemlich sicher im Laufe der Zeit ändern. Auf der Suche nach Antworten kann Musik Inspiration und Unterstützung sein. Nicht nur, weil uns die Musik – und die Kunst im Allgemeinen – erst zu Menschen macht, sondern auch, weil die Musik Themen aufgreifen kann, die sich um wichtige Fragen unserer Zeit drehen. Und nicht zuletzt ist es mit Hilfe der Musik möglich, Welten zu erschaffen, die unseren Idealen und Träumen entspringen.
Im Folgenden sollen einige Werke vorgestellt werden, die speziell im Bereich Umweltschutz inspirieren können und die Möglichkeit eröffnen, Konzerte, Proben oder andere Veranstaltungen mit einem gesellschaftlich enorm relevanten Fokus zu versehen. Denn der Schutz unserer Lebensgrundlage, der Erde, wird eine der zentralen Aufgaben der Menschheit in den kommenden Jahren sein.
Ein sensorisches Erlebnis, das alle Beteiligten in eine eindrückliche Wasserwelt mitnimmt
In Daniel Stickans Wassermusik (Carus 12.262) lautet der erste gesungene Text: „Du Bächlein, silberhell und klar“. Musik und Text lassen uns in eine andere Welt eintauchen, wo saubere Bäche durch eine intakte Landschaft fließen, man ihrem Lauf folgt, die Natur betrachtet und in einen Dialog mit dem beständig plätschernden Wasser tritt. Der Klimawandel und all seine Gefahren für Mensch und Natur sind in Stickans Wassermusik nicht präsent. Er verarbeitet das Wasser in all seinen Formen und Facetten zu musikalisch-klanglichen Wirklichkeiten und kreiert ein sensorisches Erlebnis, das alle Beteiligten in eine eindrückliche Wasserwelt mitnimmt. Und genau dadurch regt er zum Nachdenken an, ohne mahnende oder tadelnde Worte verwenden zu müssen. Die von Stickan ausgewählten Texte sind dabei für Erwachsene wie für Kinder gleichermaßen interessant, denn sie kreisen um universelle Themen und sprechen uns ganz unmittelbar an. Der Wind, der für den gasförmigen Aggregatzustand des Wassers steht, wird beschrieben als Kraft, die uns immer begleitet, uns wachrüttelt und neue Ideen weckt: „Seine Freiheit schüttelt dich wunderbar und es fegen dir Wünsche aus Stirn und Haar“. Die drei Aggregatzustände des Wassers nimmt Stickan zum Anlass, über das schwer fassbare Konzept der Trinität Gottes nachzudenken. Vater, Sohn und Heiliger Geist werden symbolisch in Form von Wasser, Wind und Eis erfahrbar. Diese zusätzliche inhaltliche Ebene der Wassermusik lässt das Werk vielschichtig werden, ohne jedoch zu überfordern. Denn nicht selten sind Umwelt- und Klimaschutz religiös motiviert: Gott hat uns Menschen die Erde anvertraut und uns den Auftrag gegeben, sie zu kultivieren und zu schützen. Die Erde liefert uns alles, was wir zum Leben brauchen, wenn wir nur dazu bereit sind, für ihre Erhaltung Sorge zu tragen. Daniel Stickans Kompositionsstil fördert das bewusste Erleben des Werks und das Nachdenken über das Gehörte, denn er schafft eine Atmosphäre, die durch Musik, Texte, Geräusche und kleine szenische Handlungen ganzheitlich ergreifend wird. Er verwendet Elemente der Minimal-Music und verarbeitet diese zu einem eigenen Stil. Instrumental zum Teil sehr virtuos gestaltete Passagen kombiniert Stickan mit den schlicht, aber präzise geführten Melodielinien des Kinderchores und schafft es, Erwachsene und Kinder musikalisch zu fesseln und gleichzeitig inhaltlich zum Nachdenken anzuregen.
Anne Riegler: Der achte Tag
Carus 12.264
Sebastian (Basti) Bund: Der kleine Prinz
Singspiel nach Antoine de Saint-Exupéry
Carus 12.442
Hoffnung auf einen Neuanfang
Der achte Tag von Anne Riegler (Carus 12.264) ist eine Kantate zur Schöpfungsgeschichte: Zu jedem Tag der Schöpfung gibt es ein Lied und einen sich wiederholenden Kehrvers, in dem Gott das Geschaffene betrachtet und feststellt, „dass es gut war“. Mit dem siebten Tag, an dem die Schöpfung vollbracht ist und Gott ruht, könnte die Geschichte ein friedvolles Ende nehmen. Doch leider ist dem nicht so. Anne Riegler baut hier die Sequenz „Dies irae“ als musikalisches Zitat ein und kündigt somit an, dass die Geschichte nicht gut weitergehen wird: Die Menschen beuten die Erde aus und zerstören, was Gott geschaffen hat. Der achte Tag steht stellvertretend für die vielen Jahre des systematischen Raubbaus. Ein eindringlicher Rap, der von einer nachdrücklich akzentuierten Klavierbegleitung gestützt wird, beschreibt das problematische und letztendlich selbstzerstörerische Verhalten der Menschen. Mit dem Titel Der achte Tag verbreitet Anne Riegler aber gleichzeitig
auch Hoffnung auf einen Neuanfang: Der achte Tag ist in der Bibel Sinnbild für den Übergang vom alten zum neuen: Der achte Tag, als Tag nach dem Sabbat, markiert den Beginn der neuen Woche – Jesu Beschneidung und auch die Auferstehung fanden an diesem Tag statt.
Zahlreiche philosophisch-melancholische Momente
Das Musiktheater Der kleine Prinz mit Musik von Sebastian (Basti) Bund und Text von Michael Sommer (Carus 12.442) würde man auf den ersten Blick vielleicht nicht dem Themenfeld Umweltschutz zuordnen. Doch schaut man etwas genauer hin, verbergen sich zahlreiche philosophisch-melancholische Momente in diesem zauberhaften Singspiel, die unser jetziges, ausbeuterisches Lebensmodell in Frage stellen. So z. B. die Szene, in der der kleine Prinz auf den Geschäftsmann trifft. Hier ein Ausschnitt:
Der kleine Prinz: Guten Tag.
Der Geschäftsmann: Drei plus zwei ist fünf. Fünf plus sieben ist zwölf. Zwölf plus drei ist fünfzehn. Guten Tag. Fünfzehn plus sieben ist zweiundzwanzig. Uff! Das macht fünfhunderteine Million sechshundertzweiundzwanzigtausendsiebenhunderteinunddreißig.
Der kleine Prinz: Fünfhundert Millionen was denn?
Der Geschäftsmann: Was?
Der kleine Prinz: Fünfhundert Millionen was?
Der Geschäftsmann: Von diesen kleinen Dingern am Himmel.
Der kleine Prinz: Fliegen?
Der Geschäftsmann: Nein, die kleinen Glitzerdinger.
Der kleine Prinz: Bienen?
Der Geschäftsmann: Nein! Kleine Dinger aus Gold.
Der kleine Prinz: Ach, die Sterne?
Der Geschäftsmann: Ja, eben. Sterne.
Der kleine Prinz: Und was machst du mit den fünfhundert Millionen Sternen?
Der Geschäftsmann Nichts. Sie gehören mir.
Der kleine Prinz Die Sterne gehören dir?
Der Geschäftsmann Ja.
Der kleine Prinz Und was bringt dir das, dass die Sterne dir gehören?
Der Geschäftsmann Das macht mich reich. Ich hab sie auf dem Konto. Ich schreibe auf, wie viele es sind, und schließe den Zettel ein.
Der kleine Prinz Mir gehört eine Blume, die gieße ich jeden Tag. Mir gehören drei Vulkane, die kehre ich jede Woche. Weil ich auch den erloschenen kehre. Man kann ja nie wissen. Es ist gut für die Vulkane und gut für die Blume, dass ich sie besitze. Aber du bist für die Sterne zu gar nichts gut.
(Der Geschäftsmann öffnet den Mund, findet aber keine Antwort, und der kleine Prinz verschwindet.)
Nicht nur die Sprechtexte werfen interessante Fragen auf, auch die Musik ist so gestaltet, dass die Zuhörenden gleichermaßen unterhalten, aber auch zum Nachdenken angeregt werden.
Appell für Frieden und Versöhnung
Der Blaue Planet (Carus 12.842) von Peter Schindler (Musik) und Babette Dieterich (Text) verbindet die Thematik Umweltschutz mit einem Appell für Frieden und Versöhnung. Die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft treffen aufeinander und ein heftiger Streit darüber entbrennt, welches das wichtigste Element sei. Ähnliches passiert, als die Präsidenten aus den vier Himmelsrichtungen Nord, Ost, Süd und West aufeinandertreffen: Jeder denkt, er sei der Größte und beansprucht daher die alleinige Herrschaft über den Blauen Planeten. Es kommt zum Krieg und die Erde wird zerstört. Doch in beiden Konflikten sorgt das Eingreifen einer Gruppe von Kindern für Einsicht und Versöhnung. Im Schlusschor greift Schindler den Sonnengesang des Franziskus von Assisi, Psalm 24 und eine alte Indianerweisheit auf: Der Mensch kann nur gesund und in Frieden leben, wenn er sich als Teil der Schöpfung begreift und diese wertschätzt und erhält. Musikalisch weist dieses Musical die bewährte Peter-Schindler-Qualität auf: Die Musik ist mitreißend, abwechslungsreich und geht sofort ins Ohr und in den Körper.
Sehnsucht nach Farbe und Natur
Ein weiteres Musical, das vielleicht erst auf den zweiten Blick mit der Thematik Umwelt- und Klimaschutz in Verbindung gebracht wird, ist Rock ’n’ Robo von Christoph Kalz (Carus 12.441). Die Geschichte spielt in „Robo-Terra“, einer grauen, streng geordneten und hochtechnisierten Roboter-Welt. Die Roboter bemerken, dass ihrer Welt etwas fehlt und so erschaffen sie künstliche Menschen, die der Roboter-Welt zu etwas mehr Farbe und Abwechslung verhelfen sollen. Die zentrale Eigenschaft, die die Menschen von den Robotern unterscheidet, ist die Kreativität und die Fähigkeit Kunst zu machen – viele Roboter sind begeistert, einige aber auch skeptisch. Nicht immer verstehen sich Roboter und Menschen und noch dazu fühlen sich die Menschen nicht wohl in „Robo-Terra“ – sie sehnen sich nach Sonne, Wind, Wasser, Pflanzen, Tieren… Christoph Kalz schafft es, die graue, technisierte Roboter-Welt musikalisch genauso einzufangen, wie die Sehnsucht nach Farbe und Natur. Die gleich-tickenden Roboter bilden sich in mechanisch-repetitiv gestalteten Melodien und roboterhafter Body-Percussion ab. Dazu im Kontrast steht die Musik der Menschen, die Tanzgrooves aufgreift oder träumerisch-schwelgend sein kann.
Das Musical wirft die zentrale Frage auf, in was für einer Welt wir leben möchten. Eine Frage, mit der sich die junge Generation nicht früh genug beschäftigen kann.
Nicht immer muss es ein ganzes Musical sein, oft können auch einzelne Stücke Anlass für ein Nachdenken oder Gespräche sein. Die Liedersammlungen Freut euch der schönen Erde
(Carus 12.256) und De zee is een orkest – Das Meer, das macht Musik von Vic Nees (Carus 12.323) eignen sich hierfür auf unterschiedliche Weise: Freut euch der schönen Erde stellt in einem geistlichen Kontext die Bewunderung und Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt. Kurze, ein- bis zweistimmige Lieder können für zahlreiche Gelegenheiten Verwendung finden. Wer das Ganze anschließend ausweiten möchte, kann die Lieder Nr. 10 – 12 in das Musical „Jetzt reicht’s!“ sprach Gott von Witold Dulski (Carus 12.430) einbauen. Für De zee is een orkest – Das Meer, das macht Musik hat Vic Nees Gedichte des niederländischen Poeten Armand van Assche vertont. Die zauberhaften Texte greifen das Thema Naturschutz auf, ohne explizit als Gesellschaftskritik gemeint zu sein. Vielmehr stehen die träumerischen Texte und die ebenso sensibel komponierte Musik im Vordergrund:
Ach, wie gern möcht‘ ich ein Zauberer sein!
Ich könnt‘ das Öl in Wasser
wieder wandeln,
den Rauch in Wolken und Luft,
das gefällte Holz wieder
zum grünen Wald
mit Fasanen.
Peter Schindler: Der Blaue Planet
Carus 12.842
Christoph Kalz: Rock ’n‘ Robo
Carus 12.441
Freuet euch der schönen Erde
Liederheft zum 5. württembergischen Landeskinderchortag 2013
Carus 12.256
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