Geheimnisvoll und Unnahbar
Die großen Stimmungsbreiten machen, laut Sebastian Hammelbeck, die „Krönungsmesse“ von Luigi Cherubini zu einer echten Entdeckung.
Als Sebastian Hammelbeck vor einigen Jahren Luigi Cherubinis Krönungsmesse (Messe solennelle in G) zum ersten Mal hörte, war das für ihn eine wirkliche Entdeckung. Von den ersten Takten an zog ihn die Musik in ihren Bann …
Als ich vor einigen Jahren Luigi Cherubinis Krönungsmesse (Messe solennelle) in G zum ersten Mal hörte, war das für mich eine wirkliche Entdeckung. Von den ersten Takten an zog mich die Musik in ihren Bann mit ihrer großen Stimmungsbreite von Beschwingtheit und Leichtigkeit bis hin zu Schwere und Trauer, dem Spiel der Klangfarben und der ganz eigenen, manchmal überraschenden Art der musikalischen Textausdeutung. Ungewöhnlich z.B. der Beginn des Credos, wo Cherubini Frauen- und Männerstimmen einen ‚luftigen‘ zweistimmigen Kanon singen lässt, verbunden mit einem riesenhaften Crescendo, dessen Spannung sich schließlich als Jubel über das „descendit de coelis“ entlädt. Oder im Gloria die Lobpreisungen „Laudamus te …“, wo der hymnische Ton bei „Adoramus te“ plötzlich unterbrochen wird und eine ganz andere Seite der Anbetung, etwas Geheimnisvolles und Unnahbares, zum Ausdruck kommt. Neben solchen z.T. schroffen Kontrasten weist die Messe mit ihren durchkomponierten Sätzen zugleich eine große formale Geschlossenheit und thematische Dichte auf. Dieser Eindruck wird dadurch noch verstärkt, dass Cherubini ganz auf Vokalsolisten verzichtet, also den gesamten Text dem Chor anvertraut, woraus das Werk einen ganz eigenen Reiz bezieht.
Die Messe entstand 1819 als Auftragswerk zur Krönung Ludwigs XVIII. Da die Zeremonie jedoch nicht zustande kam, verschwand das Werk zunächst wieder in der Schublade, dürfte aber ab 1820 doch einige Aufführungen erlebt haben, bevor es dann für lange Zeit ganz in Vergessenheit geriet. Erst 1987 kam es zu seiner Wiederaufführung.
Auch heute ist Cherubini im Grunde immer noch ein ‚Geheimtipp‘. Dabei lässt nicht zuletzt seine Krönungsmesse erahnen, warum er zu seinen Lebzeiten – beispielsweise von Beethoven – so hoch geschätzt wurde. In der Musikwelt war er eine weithin anerkannte Autorität – nicht zufällig nahm z.B. Abraham Mendelssohn seinen Sohn, den 15-jährigen Felix, gerade nach Paris zu Cherubini mit, um von diesem ein Urteil über die Begabung des jungen Komponisten einzuholen. Und noch 1876, über drei Jahrzehnte nach seinem Tod, galt Cherubini als „der größte Kirchencomponist dieses Jahrhunderts“ (Ferdinand Hiller).
Wer eine Alternative etwa zu den Messen Mozarts, Haydns oder Beethovens C-Dur-Messe sucht, dem kann ich daher Cherubinis Werk nur sehr ans Herz legen.
Sebastian Hammelsbeck arbeitet seit 2000 bei Carus im Lektorat. Er betreute die Rheinberger-Gesamtausgabe, Editionen von geistlichen Werken von Joseph Haydn, Michael Haydn, Beethoven u.a. sowie Orgelausgaben. Er spielt regelmäßig Gottesdienste als nebenamtlicher Organist und singt gern im Chor.
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