Tiefe Eindrücke
Hätte Uwe Wolf einen Chor, so würde er sogleich die Noten zu Schütz‘ „Saul, Saul, was verfolgst du mich“ austeilen.
Das erste Mal lernte Uwe Wolf Schütz‘ Saul in seiner Jugend kennen, in der er gerade erst als Bass in den Chor eintrat. Das Stück hinterließ bei dem Jungen einen so tiefen Eindruck, dass dieser bis heute anhält…
Kaum ein Stück hat in meiner Jugend einen so tiefen Eindruck bei mir hinterlassen, wie der Saul von Heinrich Schütz, den ich vielleicht mit 14 oder 15 als noch frischer Bass zum ersten Mal gesungen habe. Und noch heute zieht mich das Stück in seinen Bann: Wenn gegen Ende der Tenor mit seinen stufenweise ansteigenden „Saul“-Rufen aus dem Tutti hervortritt, ist Gänsehaut unvermeidlich (und ich muss an Händel denken!). Nicht zufällig nimmt der Saul eine herausragende Stellung in der Schütz-Rezeption ein: Carl von Winterfeld veröffentlichte die Komposition bereits 1834 im Notenteil seines Gabrieli-Buches, was etliche Aufführungen im 19. Jahrhundert nach sich zog, u.a. 1864 durch Johannes Brahms. Schützens Saul wurde damit zu einem Ausgangspunkt der Wiederentdeckung des Komponisten und gehört bis heute – zu Recht – zu seinen bekanntesten Kompositionen.
Doch der Saul steht nicht allein, ist Teil des 3. Teils der Symphoniae Sacrae: Einer wahren Fundgrube großartiger geistlicher Konzerte, oft mit hohem „Chorfaktor“ und immer Musik, „die unter die Haut geht“. Gerade erschienen sind die Symphoniae Sacrae III in der Gesamteinspielung des Dresdner Kammerchores unter Hans-Christoph Rademann, die noch einmal vor Ohren führt, was für einen Schatz Schütz hier geschaffen hat. Das Hören (nicht nur) des Saul in dieser famosen Einspielung gab mir den Anstoß zu diesem kleinen Artikel; wenn ich einen Chor hätte, hätte ich stattdessen viel lieber gleich die Noten ausgeteilt…
Dr. Uwe Wolf leitet seit Oktober 2011 das Lektorat des Carus-Verlages. Zuvor war er 20 Jahre in der Bachforschung tätig. Seiner Arbeit als Editionsleiter der Ausgewählten Werke verdanken wir auch, dass Gottfried August Homilius heute nicht mehr zu den unbekannten Komponisten zählt.
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