Aus Liebe zum Lied
Cornelius Hauptmann, Initiator des LIEDERPROJEKTs, blickt zurück auf eine unerwartete Erfolgsgeschichte
Das LIEDERPROJEKT feiert sein zehnjähriges Bestehen. Zehn Jahre, in denen viel erreicht wurde, um das Singen wieder in der Gesellschaft zu etablieren. Zehn Jahre, in denen insgesamt 11 Liederbücher erschienen sind, 23 CD-Editionen, 14 Chorbücher, zahlreiche Musizierbände und unzählige Radio-Podcasts. Parallel wurde ein wertvolles Online-Archiv aufgebaut, in dem die über 600 im Projekt zusammengetragenen Lieder mit Noten, Einspielung und Mitsingfassung kostenlos zur Verfügung stehen. Ein Erfolg, der am Anfang gar nicht absehbar war.
Wie es begann
Sommer 2007: Ein befreundeter Studienrat, Musiklehrer eines Stuttgarter Gymnasiums, erzählt mir mit deprimiertem Unterton, dass er in der Schule seine Zwölfjährigen gefragt habe, wer denn das Lied Der Mond ist aufgegangen kenne, worauf nur Achselzucken und verunsichertes Kopfschütteln die Antwort gewesen sei. Ungläubig frage ich andere Musiklehrer*innen – und erhalte dieses bestätigt. Ich bin einigermaßen fassungslos. Freunde und Kollegen teilen meine Ansicht, dass dies unbedingt geändert werden müsse. Und so fasse ich – nach drei Monaten weiterer Recherchen – den Entschluss, dieses zu tun.
Die Idee
In Gesprächen mit Freunden und Verwandten kristallisiert sich die Idee heraus, Aufnahmen von 52 Schlaf- und Wiegenliedern zu produzieren – je eines für jede Woche des Jahres. Und jedes Lied sollte jemand singen, dem es besonders am Herzen liegt, im klassischen Stil musiziert, z. B. mit Klavier- oder Instrumentalbegleitung. Musizieren sollten dabei in ausgewogener Balance Männer und Frauen, Kinder, vielleicht sogar Familien, Ensembles und Chöre. Die schönsten Schlaf- und Wiegenlieder aus dem deutschen Sprachraum, die Jahrhunderte lang in Familien gesungen wurden, dazu aber auch das eine oder andere unbekannte Lied.
Die ersten Schritte
Unterstützung erhalte ich von prominenter Seite, besonders hilfreich ist Prof. Dr. Gerald Hüther, Neurobiologe und Hirnforscher. Mit seinem Statement und Ermutigungen anderer Wissenschaftler wende ich mich an den Kollegenkreis. Etwa 100 Lieder habe ich auf einer Liste, die ich dabei ausgewählten Sänger*innen und Sängern vorlege. Der erste angefragte Kandidat ist Christoph Prégardien, der sofort zusagt und Der Mond ist aufgegangen singen möchte. Wenige Tage später erzähle ich Birgid Steinberger von der Idee, die gleich das Lied Kindlein mein vorschlägt, das sie gerade mit eigener Gitarrenbegleitung aufgenommen hat. Ein ermutigender Start. Und nun geschieht in den folgenden Monaten des Jahres 2008 das Wunder: Alle Angefragten sagen spontan und mit Begeisterung zu. Und keiner fragt nach einer Gage. Dabei habe ich noch keine Ahnung, wie und wo eine so aufwändige Produktion überhaupt realisiert werden kann. Fast 30 Künstler*innen habe ich schon im Boot, als mir mein Tenorkollege Andreas Weller zusammen mit seinem Pianisten Götz Payer rät, mich an den Carus-Verlag zu wenden.
Dr. Johannes Graulich, der Geschäftsführer, ist sehr angetan von der Idee, äußert aber Bedenken hinsichtlich der organisatorischen und finanziellen Bewältigung. Doch nur drei Tage später erhalte ich den ersehnten Anruf: Der Carus-Verlag übernehme die Produktion. Weitere Beteiligte kommen dazu, der SWR – in Kooperation mit den anderen ARD-Radiosendern – als wichtigster Partner für die vielen Einzelproduktionen, der Reclam-Verlag als Vertriebspartner für das Liederbuch sowie ZEIT Online als Medienpartner. Nach einem Jahr Vorarbeit scheinen sich alle Türen zu öffnen. Und nun ist es noch einfacher, weitere Kolleg*innen zu gewinnen, Angelika Kirchschlager, Jonas Kaufmann, Kurt Moll, Peter Schreier oder Christian Gerhaher und andere: Alle wollen mitmachen.
Mitwirkende
Cornelius Hauptmann
Angelika Kirchschlager
Jonas Kaufmann
Die Aufnahmen
Ende 2008 und Anfang 2009 finden die Tonaufnahmen in den Studios des SWR und der anderen Rundfunkstationen statt. Der Carus-Verlag entschließt sich, ein Liederbuch herauszugeben mit wunderbaren Bildern von Frank Walka, mit Noten, Liedtexten und einer Mitsing-CD, musikalisch gestaltet von der Geigerin Christine Busch. Und auch eine Schirmherrin für die Wiegenlieder, dem Startpunkt des LIEDERPROJEKTs, wird gefunden: Dr. Angela Merkel. Die beteiligten Partner einigen sich zudem darauf, pro verkaufter CD und Buch je zwei Euro für Projekte zur Förderung des Singens von und mit Kindern zu spenden. Und auch die Redaktion des SWR widmet sich intensiv den Liedern, allen voran Dagmar Munck, die Interviews und Statements zu den Liedern sammelt, die wöchentlich im Nachtkonzert der ARD ausgestrahlt werden. Ergänzend wird der Grundstein für das digitale Liedarchiv liederprojekt.org gelegt, das kostenfrei die Inhalte von Liederbüchern und CDs sowie die Podcasts bereithält.
Wiegenlieder
Vol. 1–3 (Deluxe-Box)
Carus 83.025
Die Reaktionen
Im Herbst 2009 erscheinen zwei CDs mit 52 Wiegen- und Schlafliedern, begleitet von Liederbuch und einem Klavierband. Die Resonanz in der Presse ist überwältigend. Viele sehr persönliche Briefe voller Begeisterung erreichen uns. Anrührende Geschichten über das Singen von Enkeln mit Großeltern. Erstaunlich eine Nachricht aus Island, dass im größten Kindergarten in Reykjavik die Kinder den Mittagsschlaf verweigerten, wenn nicht vorher ein Lied unserer CDs gespielt werde. Eine bemerkenswerte Nachricht aus Peru: Dort singe man mit Straßenkindern deutsche Wiegenlieder. Auch ein toller Erfolg: Die „Babyfreundlich“-Initiative von WHO und UNICEF verbreitet seit einigen Jahren eine Sonderedition der Wiegenlieder in großem Stil auf den Wöchnerinnenstationen der beteiligten Krankenhäuser.
Die weiteren Projekte
Der Erfolg der Wiegenlieder – ausgezeichnet mit diversen Preisen – ermunterte die Herausgeber zu weiteren Produktionen: Es folgten Volkslieder, Kinderlieder, Weihnachtslieder, Liebeslieder in teils deutschen und teils internationalen Versionen, und jeweils mit CD-Produktionen, illustrierten Liederbüchern mit Mitsing-CDs sowie Klavier- und Chorsammlungen. Die Anzahl der Mitwirkenden ist inzwischen auf viele hundert angewachsen. Die erzielte Spendensumme dieses Benefiz-Projekts für das Singen mit Kindern hat die Höhe von fast einer halben Million Euro erreicht. Davon profitieren Organisationen wie z. B. „Herzenssache“, „Stiftung Singen mit Kindern“ oder auch „GanzOhr“, die alle für dasselbe Ziel eintreten wie auch das LIEDERPROJEKT: Die Förderung des Singens mit Kindern! Eine großartige Entwicklung, die mich mit Staunen und Dankbarkeit erfüllt.
Sehr geehrte Damen und Herrn,
nachdem ich vor 20 Jahren in einer 5. Klasse fragte, wer „Guten Abend, gut Nacht könne,
streckte bei knapp 30 Schüler*innen ein Mädchen. Es wurde ihr von der Oma (Chorsängerin)
gelernt. Für mich war das Erlernen von Volksliedern klar.
Noch eine Frage zu Beethoven: Gibt es dafür außer „die Himmel rühmen, Helge Nacht, Gefangenenchor und Kanons“ noch was anderes im Repertoire von Männerchören s. gem. Chöre?
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Ströbele
Sehr geehrter Herr Ströbele, vielen Dank für Ihr Feedback! Von Beethoven haben wir folgende Werke für Männerchor: „Gesang der Mönche“ (original von Beethoven) und „Persischer Nachtgesang„, eine Silcher-Bearbeitung nach dem Allegretto aus Beethovens 7. Symphonie. Beide Werke sind auch in unserem Chorbuch Beethoven enthalten!