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wie ein funkelnder Schatz an grandiosen Melodien, markanten orchestralen Ideen und harmonischen Wendungen

Anne Kohler über Franz Schuberts Messe in As-Dur

50 Jahre Carus – 50 Jahre Leidenschaft für die Chormusik, die wir mit Ihnen teilen. Im Carus-Jubiläumsjahr stellen prominente Chorleiter*innen jeden Monat im CARUS Blog ihr persönliches Highlight aus fünf Jahrhunderten Chormusik vor.

„Nicht in dem Styl componiert, den der Kaiser liebt“ – so urteilte der Wiener Hofkapellmeister Joseph Eybler, dem Franz Schubert 1826 seine Messe in As-Dur vergeblich zur Aufführung überbrachte. Schubert selbst, der das Werk gründlich überarbeitet und mit einer nach allen Regeln der Kunst durchgeführten Fuge „Cum Sancto Spiritu“ versehen hatte, war mit der Komposition durchaus zufrieden und schätzte sie als „gelungen“ ein.

Die Entstehung der Messe fällt in die Zeit zwischen November 1819 und September 1822, eine Schaffensphase, in der Schubert zugleich bestrebt war, sich mit der Komposition von Opern als Bühnenkomponist einen Namen zu machen. Vielleicht jauchzen deshalb die Osanna-Engel im Sanctus in geradezu sportlicher Jägermanier zu galoppierenden Hornklängen?

Ungewöhnlich und überraschend, zu ausladend und zu wenig dem Gottesdienst untertan wird die Messe für den Geschmack des Kaisers gewesen sein. Auf uns wirkt sie heute hingegen wie ein funkelnder Schatz an grandiosen Melodien, markanten orchestralen Ideen und harmonischen Wendungen, die den Blick auf den Messetext nicht verengen, sondern in neue Dimensionen weiten.

Bereits die Disposition der Tonarten für die einzelnen Sätze (As/E/C/F/f/As) ist gewagt und stellt aufgrund der mediantischen Verwandtschaft eine Besonderheit dar. Wie innig und sanglich klingen die Linien der tiefen Holzbläser, die den Kyrie-Satz eröffnen und von den Streichern fließend übernommen werden, um den Choreinsatz vorzubereiten. In schlichten Terzen tragen die Frauenstimmen die Kyrie-Bitte um Erbarmen vor, beantwortet von Bass und Tenor, die durch einen Einsatz auf der Septime sofort klarstellen, dass trotz aller klassischer Periodik hier harmonisch der Geist der Frühromantik weht. Herrlich raumgreifend präsentieren die Solist*innen ihre Christe-Rufe, während der Chor die Kyrie-Melodik in perfekter Kontrapunktik entfaltet und abschließt.

Zahlreiche weitere geniale Stellen lassen sich in dieser Messe entdecken: Voller Energie brechen sich beispielsweise die nicht enden wollenden Credo-Einwürfe wie ein erhobener Zeigefinger zwischen den einzelnen Textteilen des Glaubensbekenntnisses Bahn. Und das Sanctus beginnt mit einer in 12/8 schwingenden, kostbar fragilen Einleitung in F-Dur. Als eine Art überhöhte Vision, die für einen kurzen Moment wie eine Täuschung wirkt, setzt der Chor jedoch einen Halbton höher als erwartet in fis-Moll ein.

Schubert erweist sich bei allem Ideenreichtum durchweg als Meister der kantablen Stimmführung, so dass die Messe in As-Dur für jeden Chor eine herausfordernde, aber überaus dankbare Aufgabe darstellt. Hohe Lagen werden im Schwung genommen und die wenigen Stimmteilungen sind so gesetzt, dass sie auch bei mittlerer Chorgröße stets voluminös klingen. Die Messe ist sozusagen ein Gewand aus feinstem Stoff, das den Chor gut kleidet. Schade, dass man das in Wien bei Hofe nicht erkannt hatte. Der Kaiser wollte keine neuen Kleider.

Franz Schubert: Messe in As-Dur
Carus 40.659

Anne Kohler ist Professorin für Chorleitung an der Hochschule für Musik Detmold. Dort leitet sie den Kammerchor der Hochschule sowie das Jazz-Vokalensemble „Pop-Up“ und betreut eine Hauptfachklasse von Chordirigent*innen. Seit 2020 ist sie die künstlerische Leiterin des Bundesjugendchores. Einstudierungen für Marcus Creed, Pierre Boulez, Roger Norrington und Ingo Metzmacher führten sie u. a. zum SWR Vokalensemble und zum Berliner Rundfunkchor. Als Leiterin für Kurse zu den Themen Chordirigieren, Stimmbildung und Jazzchorleitung sowie als Jurorin ist sie international tätig.

Franz Schubert

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