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Weltgeschichte im Kammerspiel

Johann Adolph Hasse: Marc’Antonio e Cleopatra

Die Serenata Marc‘Antonio e Cleopatra ist eine Opera seria im Kleinformat. 1725 in Neapel für einen Privatmann komponiert und in dessen Villa mit den berühmten Sängervirtuosen Vittoria Tesi und Farinelli uraufgeführt, ist sie das Gesellenstück des jungen Hasse und markiert den Anfang seiner Karriere als einer der gefeiertesten Opernkomponisten des 18. Jahrhunderts.

Entstehung und Rezeption

Seit 1722 hält sich der dreiundzwanzigjährige Johann Adolph Hasse in Neapel auf und nimmt dort zunächst Kompositionsunterricht bei Alessandro Scarlatti. Vorher hat er überwiegend als Sänger und nur gelegentlich als Komponist am Braunschweiger Hof gewirkt, um schließlich von seinem Dienstherrn auf eine Studienreise nach Italien geschickt zu werden, die ihn über Venedig, Bologna, Florenz und Rom nach Neapel führt. 1725 beauftragt ihn der königliche Rat Carlo Carmignano mit der Komposition einer Serenata für eine Aufführung in seinem Landhaus vor den Toren der Stadt. Die äußerst erfolgreiche Privataufführung von Marc‘Antonio e Cleopatra, mit zwei prominenten Sängern vor einem gebildeten, erlauchten Kreis einflussreicher Persönlichkeiten, macht Hasse über Nacht bekannt und gefragt. Der spätere Flötist Friedrichs des Großen, Johann Joachim Quantz, der Hasse in dieser Zeit in Neapel getroffen hat, erinnert sich 1755: „Farinello und die Tesi sungen darinn. Durch diese Serenate erwarb sich Herr Hasse so vielen Beyfall, dass ihm gleich darauf die Musik, der im May dieses Jahres, auf dem königlichen Theater vorzustellenden Oper, zu verfertigen anvertrauet wurde. Und diese Oper hat ihm den Weg zu seinem künftigen Glück gebahnet.“ Marc‘Antonio e Cleopatra ist gewissermaßen Hasses Gesellenstück als Opernkomponist. In den nächsten fünf Jahren schreibt er allein für die Bühnen Neapels die beeindruckende Anzahl von sieben Opere serie, einer Opera buffa, drei Serenate und ungefähr acht Intermezzi. Als er sich 1731 auf den Weg nach Dresden macht, um dort seine neue Stelle als königlich-polnischer und kurfürstlich-sächsischer Hofkapellmeister anzutreten, ist er eine europäische Berühmtheit, um die sich sämtliche Opernhäuser reißen und der überall liebevoll „il Sassone“ (wohl in Bezug auf Niedersachsen) genannt wird.

Hasse Porträt_Balthasar Denner_Postkarte

Johann Adolf Hasse
Balthasar Denner, 1740
Postkarte
Carus 40.369/10

Bildnis des Sopranisten Carlo Broschi, genannt Il Farinelli
von Jacopo Amigoni um 1752

Handlung und Libretto

Die Handlung von Hasses Serenata ist in der Zeit nach der Schlacht bei Actium 31 v.Chr. angesiedelt. Danach ist ganz Ägypten in römischer Hand, die Truppen des siegreichen Octavian (später: Augustus) haben das Heer von Marcus Antonius vernichtend geschlagen. Vor diesem politischen Hintergrund erzählt Hasses Stück die private Geschichte zweier Liebender: vom Feldherrn Marcus Antonius und von Kleopatra, der legendären Königin von Ägypten. Beide sind am Ende der Schlacht geflohen, Marcus, um so schnell wie möglich bei der Geliebten zu sein, und Kleopatra, um nicht als Gefangene nach Rom verschleppt zu werden. Zusammen schwelgen sie in Erinnerungen an ihre erste Zeit als Paar, in der sie nicht als Herrscherin und Truppenführer, sondern einfach als Liebende zusammengekommen sind. Während er noch kurz darüber nachdenkt, einen erneuten Anlauf mit frischen Truppen für die gemeinsame Sache zu wagen, ist sie sich ihres nahenden Endes sicher. Kleopatra möchte selbstbestimmt und in Freiheit sterben, Marcus Antonius mit ihr im Tod vereint sein. So wählen sie den gemeinsamen Selbstmord, ihr letzter Gedanke gilt einer goldenen Zukunft des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ unter Kaiser Karl VI. und Kaiserin Elisabeth Christine zur Zeit Johann Adolf Hasses.

Hasse_Marc’Antonio e Cleopatra. Serenata_Cover

J. A. Hasse
Marc’Antonio e Cleopatra. Serenata
Carus 50.702/00

Als Librettist von Marc‘Antonio e Cleopatra ist Francesco Ricciardi überliefert, der im Neapel der Zeit als Impresario wie als Textdichter in Erscheinung tritt. Für Hasse schreibt er ein Jahr später auch das Libretto zur Serenata La Semele, o sia La richiesta fatale. Obwohl Alessandro Scarlatti bereits 1707 eine Kammerkantate für Sopran, Alt und Basso continuo komponiert hat, die unter demselben Titel ebenfalls die Geschichte von Marc‘ Antonio e Cleopatra erzählt, gelingt es Ricciardi und Hasse, ein davon unabhängiges Werk zu schaffen. Ricciardis Text ist pathetisch im Ausdruck, garniert mit einigen Anspielungen auf klassische italienische Literatur. Im 18. Jahrhundert wird eine Serenata meistens zur Feier eines Ereignisses oder zur Huldigung einer öffentlichen Person aufgeführt. Diese Erwartung erfüllt auch Marc‘Antonio e Cleopatra, mit einem (für uns heute überraschenden) Zeitsprung von der Antike in die Gegenwart des 18. Jahrhunderts: In ihren letzten Rezitativen sowie im gemeinsamen Schlussduett stimmen Marcus Antonius und Cleopatra einen Lobpreis auf das aktuelle Kaiserpaar an.

Musik

Hasses Serenata ist eine komprimierte Opera seria: im gleichen Stil komponiert, mit derselben Abfolge aus Rezitativen und Arien, dafür deutlich kürzer (90 Minuten), mit bloß zwei Sängern, ohne Chor und nur von Streichern mit Basso continuo begleitet. Das Werk ist zweiteilig angelegt, jeweils vier Arien und ein abschließendes Duett bilden einen Teil; eingeleitet und miteinander verbunden werden die einzelnen Nummern durch Rezitative. Zwei der berühmtesten Sänger ihrer Zeit, Vittoria Tesi als Marc’Antonio und Carlo Broschi (der spätere Farinelli) als Cleopatra, singen in der Uraufführung. Dass eine Frau eine Männerrolle und ein Mann eine Frauenrolle singt, ist in dieser Zeit normal, da in der Barockoper das Geschlecht der Interpreten keine Rolle spielt. Mit diesen beiden überragenden Stimmen als Rollenvorbildern setzt Hasse einen hohen sängerischen Anspruch. Über Vittoria Tesi schreibt Quantz: „Der Umfang ihrer Stimme war ausserordentlich weitläuftig. Hoch oder tief zu singen, machte ihr beydes keine Mühe.“ Der spätere Farinelli wiederum ist für seine langen Melodielinien und sein ausdrucksstarkes, schier unendliches messa di voce bekannt gewesen. Somit hängt die gesamte Dramatik des Stücks von den Gestaltungsmöglichkeiten der Sänger ab. Dies gilt für improvisierte Verzierungen in den Arien wie für eine rhetorische Gestaltung in den Rezitativen, deren Ausdruck mit fortlaufender, sich zuspitzender Handlung an Intensität zunimmt und durch Hinzuziehung der Instrumente unterstützt wird. Hasses musikalisches Kammerspiel ist perfekt für einen kurzweiligen Abend angelegt, mit zwei ausdrucksstarken Gesangspartien, einem kleinen, flexibel mitgehenden Ensemble und ausreichend Raum für eigene Gestaltung durch die Interpreten.

Dr. Henning Bey arbeitet seit Oktober 2025 als Promotion Manager Bühne und Orchester beim Carus-Verlag. Vorher war er Künstlerischer Planer beim SWR Symphonieorchester, Chefdramaturg der Internationalen Bachakademie Stuttgart und Dramaturg beim Freiburger Barockorchester. Editionserfahrung sammelte er als Mitarbeiter der Neuen Mozart-Ausgabe in Salzburg.

Hasse: Cleofide

Hasse Cleofide Cover groß

Hasses Oper Cleofide von 1731 kann als der Höhepunkt seines bisherigen Schaffens angesehen werden – nicht zuletzt, weil der Komponist einige der besten Arien aus früheren Werken integrierte. Das antike Thema – Alexanders indische Eroberungen – eignete sich sehr gut, um August dem Starken, einem eher glücklosem Feldherrn, der gerade dabei war, seine Armeen zu reorganisieren, zu schmeicheln. Für den Dresdner Gebrauch wurde Metastasios Originallibretto von Michelangelo Boccardi bearbeitet.

Mozart: Die Zauberflöte für Kinder

Mozart_Zauberflöte Kinder_Cover groß

Für eine Kindervorstellung der Zauberflöte! Die Besetzung ist auf neun Singstimmen und neun Instrumente reduziert. Zudem wurde das im Original etwa dreistündige Werk auf eine kinderfreundliche Länge von 90 Minuten gekürzt. Dennoch ist der originale Notentext weitgehend erhalten.

Mozart: Der Schauspieldirektor

Mozart_Der Schauspieldirektor_CoverDer Schauspieldirektor schrieb Mozart im Frühjahr 1786 im Auftrag von Kaiser Joseph II. Bei einem kurzfristig anberaumten Fest in Schönbrunn sollten die Gäste mit einer kurzen deutschen und einer italienischen Komödie musikalisch unterhalten werden. Die Wahl der Komponisten fiel auf Mozart und Salieri. Beide Komponisten nehmen die Theaterpraxis der Zeit aufs Korn, wobei im Schauspieldirektor die Eitelkeit der Opernsänger*innen und die Unseriosität manch reisender Schauspieltruppe im Mittelpunkt steht.

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