Vom Menschsein und dem christlichen Glauben
Für Felix Sorg haben Max Regers „Acht geistliche Gesänge“ einen ganz besonderen Reiz.
Mit den Acht geistlichen Gesängen op. 138 von Max Reger kam Felix Sorg zum ersten Mal in seinem Schulmusikstudium in Berührung. Mit ihnen verbindet er viele bereichernde Chorerlebnisse mit dem Trossinger Hochschulchor, vor allem einen besonderen Auftritt im Deutschen Bundestag mit dem Nachtlied…
Mit den Acht geistlichen Gesängen op. 138 von Max Reger kam ich zum ersten Mal in meinem Schulmusikstudium in Berührung. Mit ihnen verbinde ich viele bereichernde Chorerlebnisse mit dem Trossinger Hochschulchor. Mit dem Nachtlied verknüpfe ich einen besonderen Auftritt im Deutschen Bundestag: Wir reisten mit dem Zug von Trossingen nach Berlin, um dort anlässlich des Volkstrauertages eine Gedenkstunde musikalisch zu untermalen. Unser Chor durfte rechts und links hinter dem Rednerpult auf den Plätzen der Minister und Staatssekretäre sitzen und von dort aus die Gedenkstunde mitverfolgen. Die Atmosphäre im Plenarsaal war besonders, obwohl er – wie wir an Hand der ungünstigen Akustik feststellen mussten – doch vorrangig für Parlamentsdebatten als für Chormusik konzipiert wurde.
Dabei kam uns der schlichte, akkordisch-homophone Aufbau des Nachtliedes entgegen, weswegen das Stück auch gerne in kürzeren Probephasen oder als Zugabenstück gesungen wird. Denn wer in den Acht geistlichen Gesängen nach Virtuosität sucht, wird nicht fündig werden. Die geistlichen Gesänge bestehen aus acht akkordisch-homophonen, relativ leicht singbaren Chöre von kurzer Dauer, welche an den Stil der Bach’schen Choralsätze angelehnt sind. Reger wählt diese Art der Komposition, um die Textaussage in den Vordergrund zu rücken, welche nicht von allzu großer Virtuosität verdrängt werden soll. Einzigartig ist für mich Regers Auslegung der Texte, welche er musikalisch mit reizvoller Harmonik und ansprechender Stimmführung umsetzt. Der besondere Reiz der Chöre liegt für mich in der Mischung von schlichtem Choralsatz, reizvoller Harmonik und tiefgründiger Textaussage. Reger entnimmt die Gedichte der Textsammlung „Der Deutsche Psalter“ von Will Vesper und verarbeitet Werke von unbekannten Meistern, Johannes Zwick („Morgengesang“), Matthias Claudius („Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit“), Petrus Herbert („Nachtlied“) und Nikolaus Decius („Das Agnus Dei“).
In den Acht geistlichen Gesängen konzentrieren sich für mich die Grundgedanken des Menschseins und christlichen Glaubens: Einerseits die Angst und Ungewissheit vor der eigenen Endlichkeit und andererseits die Hoffnung und Gewissheit auf Gottes Gnade und Schutz. Dies kommt besonders deutlich im ersten Chor „Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit“ zum Tragen. Reger komponierte die Acht geistlichen Gesänge , mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert, im ersten Monat des Ersten Weltkrieges kurz vor seinem Tod. Gewissermaßen als moralisches Gegengewicht zum Krieg ordnete Reger explizit an, dass die Chöre erst zum Ende des Krieges veröffentlich werden sollen. Dies erlebte Reger jedoch nicht mehr. Er starb 1916 in Leipzig. Den ersten Chor „Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit“ fand man nach seinem Tode auf seinem Schreibtisch aufgeschlagen.
Felix Sorg absolviert derzeit ein Lehramtsstudium in den Fächern Musik und Deutsch und arbeitet seit Oktober 2016 als Werkstudent in der Abteilung Neue Medien.
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