Unbekannt, doch hoch geschätzt
Dr. Felix Loy bedauert, dass Norbert Burgmüllers „Orchesterwerke“ auf nur zwei CDs passen.
Bei der Auswahl eines Lieblingsstücks fühlte sich Felix Loy zunächst wie bei der berühmten Frage, was man auf die einsame Insel mitnehmen würde. In der engsten Auswahl blieben schließlich immer noch zwei Werke: Bachs Magnificat BWV 243 und die Orchesterwerke von Norbert Burgmüller…
Bei der Auswahl eines Lieblingsstücks fühlte ich mich zunächst wie bei der berühmten Frage, was man auf die einsame Insel mitnehmen würde. Derartige Gedanken bringen mich, jedenfalls was Musik betrifft, stets in Nöte, da es einfach zu viele für mich unverzichtbare Meisterwerke gibt. Aber zum Glück geht es hier „nur“ um den Beitrag zu einer Monatsrubrik, und ich darf all die andere großartige Musik, die ich NICHT auswähle, trotzdem behalten … In der engsten Auswahl blieben schließlich immer noch zwei Werke: Bachs Magnificat BWV 243 und die Orchesterwerke von Norbert Burgmüller. Das Magnificat ist für mich wie ein hochkonzentrierter Auszug von Bachs kompositorischem Können; an vielen Stellen, etwa beim Fecit potentiam, kann ich sicher sein, auch beim 100. Hören eine Gänsehaut zu bekommen.
Ich habe mich dennoch anders entschieden. Für Bach muss man sicher weniger Werbung machen als für den immer noch kaum bekannten Norbert Burgmüller. Es gibt wohl nur wenige Wiederentdeckungen von Komponisten in den vergangenen Jahrzehnten, die ähnlich überraschend und faszinierend waren – mir fällt da spontan eigentlich nur die von Jan Dismas Zelenka ein.
Norbert Burgmüller (der jüngere Bruder des Pianisten Friedrich Burgmüller, der manchen durch seine Etüden bekannt sein dürfte) wurde 1810 geboren, wie Robert Schumann, der ihn hoch schätzte und, nachdem Burgmüller mit nur 26 Jahren gestorben war, beklagte: „Nach Franz Schubert’s frühzeitigem Tod konnte keiner schmerzlicher treffen, als der Burgmüller’s.“ Das Schicksal nehme „uns die besten Feldherrntalente“ weg. Schumann vervollständigte auch das Scherzo der unvollendeten zweiten Sinfonie. Mendelssohn setzte sich ebenfalls stark für Burgmüller ein, vor allem in seiner Zeit als Musikdirektor in Düsseldorf, außerdem Johannes Brahms. Mendelssohn setzte Bugmüllers f-Moll-Ouvertüre ebenso aufs Konzertprogramm wie das Klavierkonzert, in dem er selbst den Solopart übernahm. In einer Konzertrezension von 1834 wird „die tiefdurchdachte Originalität und überraschende Neuheit“ der ersten Sinfonie gerühmt, „ihre Verständlichkeit neben einer ungewöhnlichen Kühnheit und Fülle der Harmonie“.
Doch alle noch so lobenden Worte können natürlich nicht das Eigentliche beschreiben. Sie können und sollen aber gespannt machen auf diese Werke, die (leider) auf nur zwei CDs passen. Neben dem Klavierkonzert und zwei Sinfonien ist das eine Ouvertüre und eine Schauspielmusik. Frieder Bernius gibt alles, um Burgmüller die größtmögliche Ehre zu erweisen. Wesentlich am Gelingen beteiligt sind der großartige Pianist Tobias Koch und die Hofkapelle Stuttgart; durch die historischen Instrumente kommt die große Klangfarbenkunst Burgmüllers besonders sinnlich zur Geltung. Fantastische frühromantische Musik, die alle Aufmerksamkeit verdient hat. Probieren Sie’s aus!
Dr. Felix Loy ist Musikwissenschaftler und seit 2012 als freier Lektor, Herausgeber, Autor und Berater tätig. Zuvor war er mehr als 15 Jahre lang für die Notenedition „Das Erbe deutscher Musik“ und für den Carus-Verlag sowie im Tonträger-Bereich tätig. Dabei zehrt er auch von seinem fast lebenslangen Musizieren, von den ersten Erfahrungen im Musikinternat (Knabenchor) bis zu seiner heutigen Praxis mit Klarinette und Blockflöte.
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