Schlicht und harmonisch genial
Stefan Schuck findet, dass Max Reger schon allein der „Acht geistlichen Gesängen“ wegen zu den Größten gehört.
Für Stefan Schuck sind die großen Choralvariationen Regers für Orgel wie die Gipfel des Himalayas: unerklimmbar, monströs und abschreckend. Erfahren Sie, warum aber Regers Acht geistliche Gesänge op. 138 zu seinen absoluten Lieblingswerken zählen…
Etwas verhalten begehen wir dieses Jahr den 100. Todestag von Max Reger. Mit der Musik Regers habe ich mir anfangs schwer getan. Für mich nicht sehr virtuosen Organisten mit kleinen Händen waren Regers große Choralvariationen wie die Gipfel des Himalayas: unerklimmbar, monströs und abschreckend. Doch gehören inzwischen einige intime Vokalwerke Regers zu meinen absoluten Lieblingswerken, allein manche Stücke aus den Acht geistliche Gesängen op. 138 würden für mich ausreichen, Reger zu den Größten zu zählen.
Das Adventslied „Und unser lieben Frauen“ gehört heute zum Standardrepertoire, weitaus weniger bekannt sind die anderen sieben Kompositionen aus dieser Sammlung.
Gleich zu Beginn der Sammlung, die im Kriegsjahr 1914 begonnen wurde, steht wie ein Credo die achtstimmige Motette „Der Mensch lebt und bestehet“. Unter den acht Kompositionen ist sie die einzige achtstimmige und auch die einzige nicht-choralgebundene und hebt sich daher von den restlichen Stücken ab. Reger braucht hier keine ausufernde Fuge, kein dreifaches fff, sondern einen kunstvollen, durchbrochenen achtstimmigen homophonen Satz, um – ja nicht zu langsam und jede Harmonie auswringend gesungen – Regers im Tiefsten geglaubte Überzeugung auszudrücken „…und wir in SEINEN Händen“. In den letzten Stunden vor seinem unerwarteten Tod im Leipziger Hotel Hentschel hatte er die Korrekturfahne genau dieser Takte vor sich.
Auch die Choralsätze sind ebenso schlicht wie gleichzeitig harmonisch genial: Den „Morgengesang“ und das „Nachtlied“ aus der gleichen Sammlung sollte jeder intonationssichere Chor im Repertoire haben. In diesen kurzen Chorsätzen kommt für mich am Eindringlichsten zum Ausdruck, was Regers Freund Karl Straube in einem Brief an Willibald Gurlitt so schön formulierte:
„Denn das ist ja das Kennzeichnende an Regers Persönlichkeit und Kunst: immer sah er das eigentlich Wertvolle in den übersinnlichen, geistigen Dingen.“
Der Dirigent und Kirchenmusiker Stefan Schuck ist freier Mitarbeiter bei Carus.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!