Sphärenharmonien des Mittelalters
Lorenz Adamer ist ein Fan von Damijan Mocniks „Missa Sancti Francisci Assisiensis“.
Eine Sonderstellung unter Rheinbergers 14 Messvertonungen nimmt zweifelsohne die 1878 komponierte Messe in Es-Dur op. 109 (Cantus Missae) ein. Diese Messe muss, so Tristan Meister, zu den bedeutendsten kirchenmusikalischen Kompositionen der Romantik gezählt werden und verdient einen Platz im Repertoire jedes ambitionierten Chores.
Die Wahl eines Lieblingsstückes ist für jeden vielseitig interessierten Musikliebhaber natürlich eine spannende Herausforderung. Man möchte möglichst vieles teilen und natürlich nicht nur auf ein Lieblingsstück reduzieren. Ich habe mich für die neu erschienene CD mit den Kompositionen Damijan Mocniks und speziell seine Missa Sancti Francisci Assisiensis entschieden.
Der berühmte Kaufmannssohn und spätere Ordensgründer Franz von Assisi wurde immer wieder aus den unterschiedlichsten Perspektiven als Inspirationsquelle genommen und auch Damijan Mocnik reiht sich in dieser Tradition ein. Der slowenische Komponist und Chorleiter 2013 hat, anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Diözesangymnasiums Laibach, einen Kantate komponiert, deren Textgrundlage der berühmte Sonnengesang ist, und darauf aufbauend (2014-2016) auch eine vollständige Ordinariumsvertonung vorgenommen.
Diese Messkomposition fasziniert mich seit dem ersten Höreindruck vor allem aufgrund des individuellen Zugangs von Mocnik, der motivischen Feinarbeit und der Vielschichtigkeit des Werks. Motivisch beispielsweise interessant ist, dass das Et incarnatus est mit dem Agnus Dei in Verbindung steht und so für den aufmerksamen Hörer eine musikalische Brücke entsteht. Erstaunlich ist außerdem, dass diese Messkomposition so viele unterschiedliche Anknüpfungspunkte bietet: Das Kyrie hat nach einem mysteriösen und perkussiven Anfang einen wunderschönen lyrischen Charakter, der sehr kontemplativ wirkt und verrät, was in der Antike und im Mittelalter wohl unter einer Sphärenharmonie verstanden wurde. Das Gloria und Credo stehen dazu in genialem Kontrast: Mit fesselnden Rhythmen und eindringlicher Streicherbegleitung werden im Gloria die Chorstimmen herausgearbeitet und im Credo wechseln sich solistische perkussive Elemente mit feinen Choral- und Streichermelodien ab. Besonders gefällt mir auch das Benedictus, das nicht den üblichen lyrischen Charakter, sondern fast schon einen beschwingten Tanzrhythmus hat und sehr mystisch und geheimnisvoll klingt. Hierbei handelt es sich eindeutig nicht um eine verstaubte Messkomposition, sondern um musikalische Lebendigkeit!
In der vorliegenden Aufnahme beeindruckt mich aber nicht nur die kompositorische Vielschichtigkeit von Damijan Mocnik, sondern auch die gelungene Einspielung aller beteiligten Interpreten: Die eindringlichen Rhythmen der Perkussionisten, die Klanghoheit des St. Jacobs Kammarkör und das homogene Streichensemble des Royal College of Music Stockholm erzeugen ein außergewöhnliches Klangerlebnis, das im positiven Sinne fesselt und imponiert. Wer neben der Missa Sancti Francisci Assiensis auch noch Lust auf die Missa St. Jacobi , die Geburts-Nacht und …et lux perpetua von Damijan Mocnik hat, dem sei diese CD wärmstens ans Herz gelegt und nachdrücklich empfohlen.
Lorenz Adamer studierte an den Universitäten Wien (AT), Cremona/Pavia (ITA) und Tübingen Musikwissenschaft und Philosophie. Seit dem Sommer 2017 arbeitet er als Vertriebsassistenz im Carus-Verlag. In seiner Freizeit spielt er leidenschaftlich Klarinette und singt gerne im Chor.
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