„nicht nur ein Gefühl der Spannung, sondern auch Süße und Zärtlichkeit“
Masaaki Suzuki über Buxtehudes Membra Jesu nostri
50 Jahre Carus – 50 Jahre Leidenschaft für die Chormusik, die wir mit Ihnen teilen. Im Carus-Jubiläumsjahr stellen prominente Chorleiter*innen jeden Monat im CARUS Blog ihr persönliches Highlight aus fünf Jahrhunderten Chormusik vor.
Zufälligerweise war ich letzte Woche in der Marienkirche in Lübeck, um eine Dokumentation für das japanische und deutsche Fernsehen zu drehen. Bei diesem Besuch habe ich mich gefragt, ob Buxtehude seine berühmten Abendmusiken wirklich in dieser großen Kirche aufgeführt hat. Gerade für Werke wie Membra Jesu nostri, die von einem kleinen Ensemble musiziert werden, wirkt sie einfach zu groß.
Oder aber, im Gegenteil, wäre es vielleicht genau der richtige Ort gewesen, um Membra hier aufzuführen, denn das hohe Kirchenschiff und die feierliche Atmosphäre mit langem Nachhall bewirken, dass wir uns noch mehr auf die Musik konzentrieren. Wenn zum Beispiel der Anfang des dritten Satzes, „Ad Manus“, hier erklingt, läuft mir tatsächlich ein Schauer über den Rücken.
Quid sunt plagae istae in medio manuum tuarum?
Was sind das für Wunden inmitten deiner Hände?
Dieses Werk bringt uns jedoch nicht nur ein Gefühl der Spannung, sondern auch Süße und Zärtlichkeit, die man fast als „Romantik“ des 17. Jahrhunderts bezeichnen kann. Das dürfte vor allem für diejenigen eine große Überraschung sein, die – wie ich – bereits mit Buxtehudes dramatischen und improvisatorischen Präludien und Toccaten für die Orgel vertraut sind. Diese „Romantik“ leitet sich natürlich aus dem damaligen „Pietismus“ ab und hatte enormen Einfluss auch auf den jungen Bach.
Kurz vor Beginn der Reihe mit Bachs Kirchenkantaten vor etwa 30 Jahren haben wir, das Bach Collegium Japan, dieses Werk von Buxtehude als Vorkonzert zu Bachs frühen Kantaten in einer kleinen Kirche in Tokio aufgeführt und später auch auf CD aufgenommen. Ich war mir überhaupt nicht sicher, ob das japanische Publikum an dieser Art von Musik Gefallen finden würde, da sie ausgesprochen kontemplativ ist und keinerlei lebhafte Stimmung hat. Sie unterscheidet sich so sehr von den meisten anderen Standards der so genannten klassischen Musik in Japan, wie etwa einem Symphonieorchester oder einer Oper. Aber es schien, dass viele Leute beeindruckt waren, und eine Dame mittleren Alters erzählte mir, dass sie von dieser Musik völlig in Bann gezogen wurde und sich unsere CD über 500 Mal angehört hat! In der Tat hat dieses Werk trotz seiner bescheidenen und einfachen Gestaltung eine enorme Anziehungskraft.
Ich hoffe, dass ich dieses wunderbare Werk wieder einmal aufführen kann, wo auch immer auf der Welt…
Dieterich Buxtehude: Membra Jesu nostri
Carus 36.013
Dieterich Buxtehude: Membra Jesu nostri
Hans Christoph Rademann
Dresdner Kammerchor
Seit der Gründung des Bach Collegium Japan im Jahr 1990 hat sich Masaaki Suzuki als einer der führenden Kenner der Werke Bachs etabliert. Er ist seitdem der musikalische Leiter des Collegiums, das er regelmäßig zu bedeutenden Konzerten und Festivals in Europa und den USA führt und sich einen hervorragenden Ruf für Ausdrucksstärke und Authentizität der Aufführungen erworben hat.
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