„voller Elan, Humor und Farbe“
Marcus Creed über Haydns Die Jahreszeiten
50 Jahre Carus – 50 Jahre Leidenschaft für die Chormusik, die wir mit Ihnen teilen. Im Carus-Jubiläumsjahr stellen prominente Chorleiter*innen jeden Monat im CARUS Blog ihr persönliches Highlight aus fünf Jahrhunderten Chormusik vor.
Meine erste Begegnung mit den Jahreszeiten fand 1991 statt, als Roger Norrington und das Chamber Orchestra of Europe (zusammen mit dem RIAS Kammerchor) nach Berlin kamen. Diejenigen, die Norrington kennen, werden mir darin zustimmen, dass es das perfekte Stück für ihn war, voller Elan, Humor und Farbe. Seine Interpretation hat mich so beeindruckt, dass ich mich erst nach mehreren Jahren daran gewagt habe, das Werk selbst zu dirigieren.
In England, wo ich aufgewachsen bin, wurde immer die Schöpfung aufgeführt, nie die Jahreszeiten! Das letztgenannte Werk ist, mit einem großen Anteil an ausdrucksstarken Chorsätzen, logistisch anspruchsvoller und zudem orchestral komplexer. Ich hatte das Glück, es in einer Reihe von Konzerten in Europa mit dem Orchester des 18. Jahrhunderts von Frans Brüggen auf historischen Instrumenten dirigieren zu können. Und meine Studenten und ich haben später in Köln viel Zeit damit verbracht, es zu studieren.
Wie wir wissen, stand Haydn, was den Text betrifft, unter der eisernen Hand von Gottfried van Swieten. Bei der Vertonung des Textes „O Fleiß, o edler Fleiß“ sagte er, es wäre ihm nie eingefallen, den Fleiß in Musik zu setzen! Andererseits gab die schiere Vielfalt der Texte Haydn die einmalige Gelegenheit, seinem Erfindungsreichtum vollen Lauf zu lassen. So finden die sich verändernden Situationen und Aktivitäten von Mensch und Natur im Laufe des Jahres in all ihren Aspekten Ausdruck in einer höchst fantasievollen Orchestrierung, insbesondere in der Art der Verwendung der Holzblasinstrumente.
Meine persönlichen Höhepunkte:
- die flirrende Hitze von „Die Mittagssonne brennt jetzt“ sowie die zauberhafte Kavatine „Dem Druck erlieget die Natur“, die darauf folgt;
- der „sich beschleunigende“ Jagdhund in „Seht auf die breiten Wiesen hin“;
- die aufkommende Bedrücktheit und Kälte in der „Wanderer-Arie“ („Hier steht der Wandrer nun“);
- und die philosophischen Betrachtungen in „Erblicke hier, betörter Mensch“.
Was für eine große Freude war es, als ich im Rahmen der Einspielung des Werkes beim Carus-Label mit der neuen Carus-Edition arbeiten konnte!
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