eine Verständlichkeit, die nur im Zusammenspiel zwischen Wort und Musik erreicht werden kann.

Hans-Christoph Rademann über die Psalmen Davids von Heinrich Schütz

50 Jahre Carus – 50 Jahre Leidenschaft für die Chormusik, die wir mit Ihnen teilen. Im Carus-Jubiläumsjahr stellen prominente Chorleiter*innen jeden Monat im CARUS Blog ihr persönliches Highlight aus fünf Jahrhunderten Chormusik vor.

 

Mit den Psalmen Davids hatte Heinrich Schütz 1619 selbstbewusst und stolz seinen Platz als führender deutscher Komponist eingenommen. Wenn das Zeitalter des Barock vor allem ein Zeitalter der Überwältigung war, dann hat Schütz mit diesem epochemachenden Zyklus den idealen Klang dafür geschaffen. Schütz hatte bei Giovanni Gabrieli die venezianische Mehrchörigkeit geradezu aufgesaugt und nun diese grandiosen Effekte in seinen Psalmen Davids mit der mitteldeutschen Musiktradition verschmolzen.

Neben den großen Klängen, Schütz schreibt „zu starckem Getön“, gibt es subtile Textausdeutung in einer feinsinnigen Wort-Ton-Beziehung, die neue Maßstäbe für die deutsche Musikentwicklung setzt. Bach, Brahms, Mendelssohn, Distler – sie alle werden direkt oder indirekt auf diesem Vermächtnis aufbauen.

Mich fasziniert an diesen Stücken, dass man entdecken kann, was Musik ist, was sie darzustellen vermag. Aber es geht dabei um mehr als den Genuss des Klanges: Diese Musik ist besonders dazu geeignet, sich auch die Psalmtexte intensiv zu erschließen. In der Weise, wie die Musik das Mehrschichtige, Doppeldeutige, das Einleuchtende und dann auch das Unsagbare hinzufügt, entsteht eine Verständlichkeit, die nur im Zusammenspiel zwischen Wort und Musik erreicht werden kann.

Nun sind wir 2022 mitten im Schützjahr, da der Komponist am 16. November vor 350 Jahren verstorben ist. Das ist für mich in der kommenden Zeit nicht nur künstlerisch – mit Auftritten beim Musikfest Erzgebirge und beim Heinrich Schütz Musikfest – ein besonderes Musikjahr, sondern auch pädagogisch als Professor für Chordirigieren. Als Lehrender möchte ich mit Heinrich Schütz zu einem tieferen Verständnis von Musik hinleiten. Die Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber beginnt das Studienjahr 2022/23 mit einem „Heinrich Schütz Semester“. Gemeinsam mit dem Dresdner Kammerchor werde ich dieses besondere Semester mit einer Aufführung der Psalmen Davids im Konzertsaal der Hochschule eröffnen.

Viele Student*innen dieser Einrichtung konnten mit mir in den vergangenen Jahren gemeinsam das Gesamtwerk des „Vaters der teutschen Musik“ für Carus produzieren und fühlten sich genau wie ich bereichert und beglückt, von Heinrich Schütz inspiriert zu werden.

Becker-Psalter: Die Psalmen Davids
Heinrich Schütz
Heinrich Schütz: Psalmen Davids
Schütz-Gesamteinspielung
Hans Christoph Rademann Dresden Kammerchor
Carus 83.255/00

Hans-Christoph Rademann zählt heute zu den gefragtesten Chordirigenten und anerkanntesten Chorklangspezialisten weltweit. Wegweisend sind seine Konzerte und Einspielungen mit dem Dresdner Kammerchor und dem Dresdner Barockorchester, besonders der mitteldeutschen Musikschätze des 17. und 18. Jahrhunderts. Ebenso finden seine Interpretationen romantischer Werke und zeitgenössischer Kompositionen höchste Anerkennung, wie zahlreiche Auszeichnungen belegen.

Schütz: Psalmen Davids

Singet dem Herrn ein neues Lied (Psalm 98)

Nachdem Schütz nach dem Tode Gabrielis von seinem Aufenthalt in Venedig in seine Heimat zurückkehrte, begann er die erworbenen Eindrücke musikalisch zu verarbeiten. Vor allem das mehrchörige Musizieren war hierbei sehr wichtig, wofür die zwischen 1615 und 1619 entstandenen Psalmen Davids ein Beleg sind.

Nun lob, mein Seel, den Herrn

Als einziger der im Jahr 1619 in Dresden erschienenen Psalmen Davids beginnt der 115. Psalm Nicht uns, Herr, sondern deinem Namen mit einer einstimmigen Intonation, wie wir sie auch aus Schütz’ Spätwerk kennen („Schwanengesang“).

Danket dem Herrn, denn er ist freundlich

Mit der klangprächtigen Vertonung des 136. Psalms aus den Psalmen Davids von 1619 betritt Heinrich Schütz Neuland: Er holt das höfische Trompetenensemble in die Kunstmusik (ähnlich wie zur selben Zeit auch Michael Praetorius).

Jauchzet dem Herren, alle Welt

CD Schütz: Psalmen Davids

In der Schütz-Gesamteinspielung erscheint mit den Psalmen Davids einer der Höhepunkte sowohl im Schaffen des Komponisten als auch innerhalb der Edition: Klangprächtige, oft mehrchörige Musik, eingefangen in atemberaubenden Surround-Sound und eine luxuriöse Besetzung sind nur einige wenige Punkte, die die Aufnahme zu einem wahren Schütz-Fest werden lassen.

Schütz: Opera varia I.

Schütz: Opera varia I SliderBand 19 der Schütz-Gesamtausgabe vereinigt 21 sehr unterschiedliche Kompositionen aus verschiedenen Schaffensphasen. Das Spektrum reicht vom kleinen zweistimmigen Geistlichen Konzert bis zur sechsteilig-zyklischen Psalmvertonung und dem großangelegten mehrchörigen Concerto, von bekannten Werken wie dem „Osterdialog“ bis zu vollständig unbekannten, von der affektvoll-madrigalischen Komposition bis zum schlichten Choralsatz.

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