5 Fragen an den Dirigenten der Uraufführung: Arndt Martin Henzelmann
Bearbeitung von Bruckners „Te Deum“ und „Messe in d-Moll“
Für das Bruckner-Jubiläum 2024 hat Sebastian Bartmann neue Bearbeitungen des Te Deum und der Messe d-Moll vorgelegt. Beide wurden unter dem Dirigat von Arndt Martin Henzelmann uraufgeführt. Nun beantwortet Henzelmann aus der Perspektive des Dirigenten fünf Fragen zu den neuen Fassungen.
1. Das Te Deum ist vielleicht das bekannteste Chor-Orchesterwerk von Bruckner; fast jeder Chorsänger hat das schon mal gesungen oder hat es zumindest gehört – natürlich in der Orchesterfassung. Wie kann man sich von dem bekannten Klang lösen und auf die so andere Begleitung durch zwei Klaviere und Pauken einstellen?
Ich finde in diesem Zusammenhang den Gedanken an die Uraufführung des Werkes sehr inspirierend: Das Te Deum erklang erstmalig nicht in seiner Gestalt als Werk für Chor und Orchester, sondern unter Bruckners eigener Leitung in einer Fassung für zwei Klaviere (von Josef Schalk). Von dieser sind allerdings nur noch die ersten Takte erhalten. Das Bruckner-Jubiläum 2024 hat den Anstoß für eine neue Fassung von Sebastian Bartmann gegeben, die die damals beliebte Praxis der Aufführungen sinfonischer Werke mit zwei Klavieren wieder aufgreift.
Und dann ist es ähnlich wie mit der beliebten Poos-Fassung des Brahms-Requiem für zwei Klaviere und Pauken – die reduzierte Besetzung verschiebt den Fokus des Klangerlebnisses und es ergeben sich neue Möglichkeiten: Das Werk wird etwas kammermusikalischer, transparenter; der Chorklang wird weniger verdeckt und wirkt dadurch offener. Dennoch bieten die beiden Klaviere genug Unterstützung für ein freies und strahlendes Musizieren. Aus der schlankeren Besetzung ergibt sich auch die Chance auf ein flexibleres musikalisches Agieren – sowohl auf der Ebene der Dynamik, als auch der von Tempo, Binnenphrasierung, Agogik und Zusammenspiel.
2. Kommen in der „heruntergebrochenen“ Fassung vielleicht auch Dinge zum Vorschein, die man sonst nie hört?
Neben den schon genannten Spielräumen, die sich durch den kleineren „Apparat“ ergeben, bekommt beispielsweise das Te Deum mehr Klarheit und rhythmische Präzision durch die Repetitionen an den Klavieren. Es entsteht gewissermaßen ein neuer Fokus auf die Vertikalität der Komposition.
Ich finde auch den Gedanken spannend, dass der Chorsatz insgesamt stärker in den Vordergrund rückt und damit auch der Chorklang selbst. Bedingt durch die nun neue Option, das Werk auch mit kleineren chorischen Besetzungen aufzuführen, wird es in Zukunft auch eine „leichtere“ klangliche Gestalt erfahren können.
3. Die Pauke ist ad lib. Was meinen Sie, ist es wirklich eine Option, darauf zu verzichten?
Theoretisch ist das natürlich möglich; Sebastian Bartmann und ich empfehlen aber, nicht auf die Pauke zu verzichten, die das klangliche Spektrum durch ihre Tiefe und Wärme abrundet. Das ist gerade für den dunklen, romantischen Klang des Werkes wichtig. Die Pauke ist gewissermaßen symphonische Stütze im Gesamtklang; der grundsätzlich ausklingende Klavierton wird mit den vielen von Bruckner auch selbst komponierten Paukenwirbeln unterfüttert und gestützt.
4. Die d-Moll-Messe ist bei weitem nicht so bekannt wie das Te Deum. Macht es das einfacher, sich dem Stück in der Bearbeitung zu nähern?
Sowohl für Interpret:innen als auch Zuhörer:innen ist es sicher auch eine Chance, dass das Werk nicht so bekannt ist wie das allgegenwärtige Te Deum. Findet der neugierige „Erstkontakt“ mit dem Stück in Form seiner Bearbeitung statt, kann nichts vermisst, sondern nur unvoreingenommen entdeckt werden.
Ich finde aber auch, dass man auf Bearbeitungen von Werken grundsätzlich gar nicht so vergleichend-defizitär schauen sollte, sondern sie vor allem als klangliche Bereicherung und weitere Möglichkeit zur Aufführung sehen sollte.
5. Das Te Deum ist bekannt für seinen „breiten Pinsel“. In der Messe geht es kontrapunktischer zu, die Instrumente werden nicht so sehr blockhaft eingesetzt, sondern Bruckner zeigt fast einen spielerischen Umgang mit den Farben. Wie schafft es die Bearbeitung, das einzufangen?
Der Klaviersatz kann natürlich die Orchesterfarben nicht ersetzen, aber mit Lagen, Dynamik und Aufteilungen farbliche Differenzierungen erzielen. Aber vor allem tritt etwas Neues hervor: Gerade in der Messe zeigen sich kammermusikalische Qualitäten im Werk, die durch die beiden Klaviere unterstrichen werden. Insbesondere die Verteilung der Orchesterinstrumente auf zwei Klaviere hilft dabei ein (auch räumlich) viel kontrastreicheres Bild zu zeichnen als es in einer Reduktion auf nur ein KIavier der Fall wäre. Den Pianist:innen kommt hier die besondere Verantwortung zu, die Struktur und Farben des Orchestersatzes durch individuelles Spiel des jeweiligen Parts plastisch werden zu lassen.
Te Deum
Bearbeitung für Soli, Chor und 2 Klaviere (arr. S. Bartmann)
Carus 27.190/44
Messe d-Moll
Bearbeitung für Soli, Chor und 2 Klaviere (arr. S. Bartmann)
Carus 27.092/44
Arndt Martin Henzelmann ist freischaffender Dirigent und hauptamtlicher Dozent für Chorleitung an der Universität der Künste Berlin. Ein Schwerpunkt seines Schaffens liegt im chorsinfonischen Bereich. Er ist Assistent beim Konzertchor des Staats- und Domchor Berlin und Gründer und Leiter des Jugend-Barock-Projektes Collegium Vocale Iuvenum Köln. Regelmäßig wirkt er daneben als Dirigent von Projekten in der freien Szene.
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