Karfreitag 2024
300 Jahre Johannespassion von Johann Sebastian Bach
Wie kommt man 2024 der 1724er Fassung der Johannespassion möglichst nahe? Welches Aufführungsmaterial benötigt man? Hier finden Sie einige aufführungspraktische Gedanken, auch zur 1725er Fassung, von Cheflektor Dr. Uwe Wolf.
Im Frühjahr 1724 – es ist seine erste Passionszeit in Leipzig – komponierte Johann Sebastian Bach die Johannespassion BWV 245.1 und brachte sie am Karfreitag in der Nikolaikirche zur Aufführung. Danach verlieh er vermutlich das komplette Aufführungsmaterial, behielt allerdings – wie üblich – die Dubletten zurück: Stimmen für Violine I, II und Continuo sowie die Ripieno-Stimmen für den Chor. Bach erhielt die verliehenen Stimmen offenbar nie zurück, denn schon für die erneute Aufführung der Passion 1725 musste er alles, was über diese wenigen Stimmen hinausging, neu ausschreiben lassen.
Leider ist auch die autographe Partitur nicht erhalten. Wir besitzen heute lediglich eine Abschrift der Sätze 11 folgende aus dem Autograph, geschrieben wohl in den 1740er Jahren von Bach persönlich.
Aus den erhaltenen Stimmen kann man ziemlich gut erkennen, dass die Fassung 1724 sehr nahe an der von 1749 BWV 245.5 war, die heute als „Fassung IV“ bekannt ist. Markant sind folgende Abweichungen: Es gibt in den Sätzen 9 und 19/20 deutliche Textänderungen. Außerdem erklangen die Sätze 19 und 20 1724 in der exquisiten Besetzung mit zwei Violen d’amore und Laute (später Violinen con sord. und Orgel), die in der 1749er Fassung nicht vorsehen ist.
Will man für eine Aufführung der Johannespassion im Jahr 2024 der Fassung von 1724 nahekommen, so kann man dies mit dem Aufführungsmaterial zur Fassung von 1749 auf folgende Art und Weise tun:
Man musiziert die Sätze 1–8 und 10 aus Partitur und Material der Carus-Ausgabe der Fassung IV (Carus 31.245/00) die der jetzige Direktor des Leipziger Bach-Archivs, Professor Peter Wollny im Carus-Verlag herausgegebenen hat. Aber verwenden Sie nicht die Fassung aus dem Anhang. Dieser gibt die wohl 1738 begonnene, jedoch unvollendete – und zu Bachs Zeit auch nicht aufgeführte – Revision BWV 245.4 wieder. Lediglich für Satz 9 greifen Sie auf diesen Anhang zurück, denn Satz 9 in der Fassung 1724 ist ganz verloren. Belegt ist jedoch, dass Satz 9 in der Fassung 1738 textgleich mit der 1724er Fassung ist. Die musikalischen Unterschiede dazu werden, soweit es sich aus der Fassung von 1749 ablesen lässt, klein gewesen sein.
Zu den Sätzen 19 und 20 sind bei Carus separate Stimmen mit der reizvollen Besetzungsvariante der 1724er Fassung bestellbar. Der abweichende Singtext der Fassung von 1724 ist im Klavierauszug der Fassung 1749 enthalten.
Zu Satz 19/20 sind separate Stimmen mit der reizvollen Besetzungsvariante bestellbar; der abweichende Singtext der Fassung von 1724 ist im Klavierauszug der Fassung 1749 enthalten.
Der Bassono grosso war 1724 noch nicht beteiligt.
Weitere Unterschiede zwischen 1749 und 1724 sind weitgehend Spekulation. Insbesondere Beteiligung der Flöten ist aus der Partiturabschrift nicht abzuleiten, es ist jedoch völlig üblich, dass nicht selbstständige Flötenstimmen in der Partitur nicht notiert sind; auch ein weitgehender Verzicht auf die Flöten ist somit spekulativ. Weitere Unterschiede sind geringfügig bzw. nicht bekannt.
Johannespassion 1724 – benötigtes Notenmaterial:
Partitur: 31.245/00
Klavierauszug: 31.245/03
Chorpartitur: 31.245/05
Stimmensatz: 31.245/19
Zusätzlich die Stimmen der Besetzungsvariante Satz 19/20: 31.245/81+82
Und 2025?
Johannespassion „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ von 1725 BWV 245.2
Schon ein Jahr nach der Uraufführung hat Bach die Johannespassion erneut aufgeführt, allerdings in deutlich veränderter Gestalt. Zwei großangelegte Choralsätze (darunter der neue Eingangschor „O Mensch, bewein dein Sünde groß“) sollten wohl dazu dienen, die Passion in den Choralkantaten-Jahrgang 1724/25 einzupassen. Einige neue Arien besonders dramatischen Zuschnitts zeigen Bach noch einmal von einer ganz anderen Seite! (siehe dazu auch den Beitrag „Die ‚andere‘ Johannes-Passion von 1725“)
Der 300. „Geburtstag“ dieser viel zu selten gehörten, spannende Variante der Johannespassion lädt dazu ein, sich der Passion noch einmal von einer anderen Seite zu nähern – und dafür das Fehlen des beliebten Eingangschores „Herr, unser Herrscher“ hinzunehmen. Die Carus-Edition der 1725er Fassung wurde wie alle anderen Fassungen auch herausgegeben von einem der renommiertestes Bach-Forscher, dem jetzigen Direktor des Leipziger Bach-Archivs, Professor Peter Wollny.
Das Aufführungsmaterial der Fassung 1725 ist komplett separat erhältlich:
Johannespassion
Fassung IV: Herr, unser Herrscher
BWV 245 (BWV3 245.5, 245.4), 1749
Carus 31.245
Johannespassion
Fassung II: O Mensch, bewein
BWV 245 (BWV3 245.2), 1725
Carus 31.245/50
BWV 245, 1739/1749
BWV 245 (BWV3 245.5, 245.4), 1749
Carus 31.245/03
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