„effektreiche, aber auch emotionale Musik“
Ton Koopman über Händels „Messiah“
50 Jahre Carus – 50 Jahre Leidenschaft für die Chormusik, die wir mit Ihnen teilen. Im Carus-Jubiläumsjahr stellen prominente Chorleiter*innen jeden Monat im CARUS Blog ihr persönliches Highlight aus fünf Jahrhunderten Chormusik vor.
Als ich als sechsjähriger Junge mit dem Kirchenchor der Gemeinde zum ersten Mal das Halleluja aus Händels Messiah sang, wusste ich nicht, dass ich eines der berühmtesten Meisterwerke der Musikgeschichte kennenlernte. Aber eines war mir klar: es ist wunderbar zu singen! Sogar mit nur einer Orgel als Begleitung, wobei alle Register gezogen wurden! Von diesem Moment an freute ich mich auf jeden hohen Festtag in der Kirche, an dem ich diesen fantastischen Chor, das Halleluja, singen durfte.
Etwa zehn Jahre später musizierte ich zum ersten Mal den ganzen Messiah mit einem örtlichen Chor und einem Kammerorchester. Ich spielte auf einem kleinen Spinett, das in der Kirche vielleicht nicht zu hören war, aber es war eine wunderbare Sache. Viel später, mit meinem ersten Barockorchester Musica Antiqua Amsterdam und dem Collegium Vocale unter der Leitung von Philippe Herreweghe, führten wir eine „authentische“ Version des Messiah auf. Ich hatte viel recherchiert und war auf allerlei Dinge gestoßen, die ich später in der Carus-Ausgabe vertiefen konnte. Unter anderem hatte ich gelesen, dass Händel bei Oratorien-Aufführungen oft selbst noch ein Orgelkonzert spielte. Für unser Konzert beim Holland Festival beschlossen wir, das Gleiche zu tun. Das Orgelkonzert erklang unangekündigt in einer der Pausen, und viele Zuhörer kamen zurück, um es zu hören.
Händels Meisterwerk ist immer auf meinem Schreibtisch geblieben. Ich liebe diese effektreiche, aber auch emotionale Musik. Das improvisatorische Element für die Gesangssolisten ist für mich dabei natürlich ein unverzichtbarer Bestandteil. Es macht mir Spaß, mit ihnen daran zu arbeiten, weil ich weiß, dass Händels Sängerinnen und Sänger darin sehr erfahren waren. Auch in den USA und Japan habe ich den Messiah oft dirigiert, mit modernen Orchestern und Chören. Ich habe auch alle vorhandenen Versionen ausprobiert, die Händel uns in seinen Manuskripten hinterlassen hat, sei es aus praktischen oder ästhetischen Gründen; so wie sie auch in der Carus–Ausgabe zu finden sind.
Als Händel seinen Messiah am 13. April 1742 uraufführte, muss ihm klar gewesen sein, dass er ein bahnbrechendes Werk komponiert hatte. Schon zu seinen Lebzeiten entstand eine Tradition jährlicher Wohltätigkeitsveranstaltungen. Nach seinem Tod wuchs die öffentliche Liebe zum Messiah weiter, und heute ist es eines der beliebtesten Werke aller Zeiten. Händel verstand es, mit seinen berühmten Chören zu beeindrucken und vor allem das Herz zu berühren. Ich hoffe, dass der Messiah auch neue Generationen verzaubern wird!
Übersetzung: Martina Graulich
Georg Friedrich Händel: Messiah
Carus 55.056
Ton Koopman (1944) ist eine Autorität auf dem Gebiet der Alten Musik und der historischen Aufführungspraxis. Als Cembalist, Organist und Dirigent ist er seit Jahrzehnten in den berühmtesten Konzertsälen der Welt zu hören. Als Organist hat er auf den wichtigsten historischen Instrumenten Europas gespielt. 1979 gründete er das Amsterdamer Baroque Orchestra, zu dem 1992 der Amsterdam Baroque Choir hinzukam.
Koopman ist bei Carus Herausgeber der wissenschaftlich-kritischen Notenausgabe von Händels Messiah.
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