„In Salzburg! dem Vaterlande des Hanswursts!“
Wolfgang Amadeus Mozart: Der Schauspieldirektor
1786 ist Mozarts umtriebigstes Jahr. Wie im Rausch schreibt er Klavierkonzerte, Kammermusik, seine Oper Le nozze di Figaro, veranstaltet eigene Konzerte, geht auf Bälle. Und er lässt sich auf einen vom Kaiser angeordneten Opernwettstreit mit Hofkapellmeister Antonio Salieri ein: italienische Opera buffa gegen deutsches Singspiel. Innerhalb von 14 Tagen schreibt Mozart seinen Schauspieldirektor, eine Satire auf die Verschrobenheiten und Eitelkeiten des Theaterbetriebs.
Entstehung und Rezeption
Der Habsburger Kaiser Joseph II. ist nicht nur ein traditionell musikalisch gebildeter Monarch, sondern obendrein ein Freund des musikalischen Wettstreits. Am Heiligabend 1781 lädt er die Komponisten und Pianisten Muzio Clementi und Wolfgang Amadé Mozart zu einem Duell auf dem Pianoforte ein, um damit nicht zuletzt seine Gäste, den Sohn des russischen Zaren und dessen Gemahlin, zu unterhalten. Anfang des Jahres 1786 wünscht sich der Kaiser ein „Komponistenduell“ zwischen Mozart und dem Hofkapellmeister Antonio Salieri anlässlich des Besuchs seiner Schwester Marie Christine und ihres Gemahls Herzog Albert von Sachsen-Teschen in Wien. In der Orangerie von Schloss Schönbrunn werden dafür eigens zwei gegenüberliegende Bühnen aufgebaut, auf denen ihre Werke nacheinander aufgeführt werden.
Mit den Komponisten treten am 7. Februar 1786 zwei Gattungen gegeneinander an: Mozart soll ein einaktiges deutsches Singspiel als Repräsentant des Deutschen Nationaltheaters komponieren, Salieri eine einaktige italienische Opera buffa als Vertreterin der Hofoper schreiben. Ihre Handlungen widmen sich satirisch dem Opernbetrieb der Zeit. Salieri wählt das komische Libretto von Giovanni Battista Casti zu Prima la musica e poi le parole, in dem ein Dichter auf bereits existierende Musik einen Text schreiben soll und am Schluss zwei rivalisierende Sängerinnen ihre Arien gleichzeitig proben. Mozart wiederum arbeitet mit Johann Gottlieb Stephanie zusammen, der für ihn schon den Text zur Entführung aus dem Serail verfasst hat. Sein Schauspieldirektor erzählt von lächerlichen Eitelkeiten und komischen Rivalitäten in einer Operntruppe, die ein Impresario für eine Produktion zusammenstellt.
Nach der ersten Aufführung im Schloss Schönbrunn werden beide Einakter an drei weiteren Abenden im Kärntnertortheater aufgeführt. Salieris pointensichere, quirlige Oper trägt im direkten Vergleich mit Mozarts dialoglastigem „Schauspiel mit Arien“ (wie die Wiener Zeitung es damals nennt) den Sieg davon, obwohl es sich bei der Musik um „reifen Mozart“ handelt, mit einer schmissigen Ouvertüre und pointensicheren Arien. Es liegt an den gesprochenen Dialogen, die sich auf aktuelles Zeitgeschehen beziehen; durch sie altert das Stück schnell und wird für spätere Aufführungen meist bearbeitet. 1797 bringt Emanuel Schikaneder den Schauspieldirektor auf die Bühne vom Wiener Freihaustheater; im selben Jahr kombiniert Christian August Vulpius ihn in Weimar mit Domenico Cimarosas komischer Oper L’impresario in angustie und macht daraus das Pasticcio Die theatralischen Abenteuer. 1845 erscheint in Berlin Mozart und Schikaneder, dahinter verbirgt sich eine Textbearbeitung vom Schauspieldirektor von Louis Schneider, in der beide tatsächlich als Bühnenfiguren auftreten. Erst 1916 ist das Original wieder an der Wiener Volksoper aufgeführt worden. Seitdem findet es sich gelegentlich auf kleinen Bühnen in Kombination mit dem Gegenstück von Antonio Salieri oder in konzertanter Aufführung (ohne Dialoge) mit anderen Werken des reifen Mozart.
Mozart am Klavier
unvollendetes Gemälde von
Joseph Lange, 1789
(Mozart-Museum Salzburg)
Postkarte
Carus 40.390/00
Porträt des Antonio Salieri
Joseph Willibrord Mähler, 1815
Handlung und Libretto
Schauspieldirektor Frank will in Salzburg eine Truppe zusammenstellen, unterstützt von Bassbuffo Puf. Sukzessive präsentieren sich verschiedene Schauspieler*innen und Sänger*innen und spielen entweder Szenen aktueller Theaterliteratur vor oder geben eine Kostprobe ihrer Sangeskunst (Arietta Nr. 1 und Rondò 2). Die zugesagten Gagen steigen mit jedem Engagement. Dazu machen sich die Damen gegenseitig die Rolle als „erste Sängerin“ streitig (Terzett Nr. 3). Aufgrund des Unfriedens droht Frank, das ganze Unternehmen abzublasen. Daraufhin sagen die Beteiligten zu, ihre individuellen Interessen der Kunst unterzuordnen und besingen dies im Schlussgesang (Nr. 4): „doch sich selbst den Vorzug geben, über andre sich erheben, macht den größten Künstler klein“.
Johann Gottlieb Stephanies Libretto zum Schauspieldirektor ist später von ihm selbst als „Gelegenheitsstück“ bezeichnet worden. Das trifft es, denn die vielen Anspielungen auf tagesaktuelle Dichtungen und Musikwerke sind auf das Zeitfenster einer damals gegenwärtigen „Gelegenheit“ ausgerichtet. Die Arietta „Da schlägt die Abschiedsstunde“ der Madame Herz hat Vorbilder aus unterschiedlichen Kontexten und spricht geschickt eine breite Leserschaft populärer Musenalmanache an, in denen derartige Gebrauchslyrik veröffentlicht wird: Pietro Metasasios Dichtung La Partenza, dessen deutsche Bearbeitung von Johann Joachim Eschenburg (Da schlägt die Abschiedsstunde) und Das Lied der Trennung von Klamer Eberhard Karl Schmidt. Das Rondò „Bester Jüngling!“ der Mademoiselle Silberklang ist eine Umschreibung des Gedichts Der Liebesbund von Johann Martin Miller, das 1779 im Vossischen Musenalmanach abgedruckt worden ist.
W. A. Mozart
Der Schauspieldirektor
Carus 51.486/00
Madame Lang, geb. Weber
Johann Jakob Nilson, 1792
W. A. Mozart, Urs Stäuble (arr.)
Der Schauspieldirektor
Bearbeitung für Kammerorchester
Carus 57.007/00
Mozarts Sänger und seine Musik
Die Besetzung unterstreicht den vorherrschenden Schauspielcharakter des Stücks: sieben Schauspieler*innen stehen drei Sänger*innen gegenüber (zwei Soprane, ein Tenor; nur ganz am Ende gesellt sich der Schauspieler Puf als Basso dazu). Mit der einleitenden Sinfonia, dem Terzett und dem Schlussgesang erhält Der Schauspieldirektor einen opernhaften Rahmen, der von einem Schauspiel mit längeren Dialogen ausgefüllt wird, denen zwei Arien an neuralgischen Stellen unter die Arme greifen. Dafür hat Mozart prominente Sänger ausgesucht, die in seinem persönlichen Opernumfeld eine wichtige Rolle spielen. Madame Herz wird von seiner Schwägerin Aloysia Lange gesungen, bekannt als Konstanze in seiner Entführung aus dem Serail und später die erste Donna Anna in der Wiener Wiederaufnahme des Don Giovanni. Die für sie komponierte Arietta verbindet ein anfängliches g-Moll-Lamento, das die Sphäre von Konstanzes „Traurigkeit ward mir zum Lose“ anklingen lässt, mit einem schnellen Dur-Teil aus rasanten Koloraturen, die an Konstanzes Bravourarie „Martern aller Arten“ anzuknüpfen scheint. Die nächste Arie, das Rondò der Mademoiselle Silberklang, hat Mozart auf die Stimme von Caterina Cavalieri, seine erste Konstanze und spätere Donna Elvira im Wiener Don Giovanni, zugeschnitten. Auch diese Arie ist zweiteilig, mit zunächst getragenem Andante und darauffolgendem, schnellen Koloraturenteil. Zentrale Musiknummer des gesamten Stücks ist das Terzett mit den beiden Sopranen und dem Tenor des Monsieur Vogelsang. Diese Partie schreibt Mozart für den engen Freund Valentin Adamberger, den ersten Belmonte in der Entführung und Adressat einiger Konzertarien aus Mozarts Feder. Seine lyrische Stimme steht im Terzett beschwichtigend zwischen den Primadonnen, die sich auf immer höheren Tönen mit „Ich bin die erste Sängerin!“ ins Wort fallen. Zur letzten Nummer gesellt sich der Schauspieler Puf und ergänzt das Terzett zum vierstimmigen Schlusschor, in dem nach Art eines Vaudeville jede der vier Strophen von einem Solisten begonnen und dann vom Quartett als Refrain zuende geführt wird.
Ausgabe
Die Ausgabe des Carus-Verlags (Carus 51.486/00), herausgegeben vom Mozart-Experten Dr. Ulrich Leisinger, beruht auf Mozarts autographer Partitur. Von ihr sind zeitgenössische Abschriften aus Donaueschingen, Hamburg und München überliefert. Während im Autograph die Orchesterritornelle der beiden Arien fehlen, finden sie sich übereinstimmend in allen Abschriften wieder. Der Herausgeber hat sie daher von der Münchner Quelle in die Ausgabe übernommen.
Dank der Bearbeitung des Werkes für Kammerorchester von Urs Stäuble (Carus 57.007/00) ist es möglich, das Werk in noch kleinerem Rahmen aufzuführen – ideal z.B. für eine Aufführung im Opernstudio!
Dr. Henning Bey arbeitet seit Oktober 2025 als Promotion Manager Bühne und Orchester beim Carus-Verlag. Vorher war er Künstlerischer Planer beim SWR Symphonieorchester, Chefdramaturg der Internationalen Bachakademie Stuttgart und Dramaturg beim Freiburger Barockorchester. Editionserfahrung sammelte er als Mitarbeiter der Neuen Mozart-Ausgabe in Salzburg.










Mozarts Missa in C KV 317, unbegründeterweise „Krönungsmesse“ genannt, zählt zu den beliebtesten und am meisten aufgeführten Werken ihrer Gattung. Diese Ausgabe basiert auf dem Autograph, wobei im Kritischen Bericht eine frühe Stimmenabschrift (Fügerl) ergänzend mit ausgewertet wurde, da solche späteren Kopien in Detailfragen oft wichtige Aufschlüsse geben, etwa zu Fragen der historischen Aufführungspraxis.

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