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Von der Psychologie des einfachen Landlebens

Wolfgang Amadeus Mozart: Bastien und Bastienne

Für sein erstes Singspiel wählt der zwölfjährige Mozart 1768 einen damals populären wie provokativen Stoff. Bastien und Bastienne geht auf Jean-Jacques Rousseaus Einakter Le dévin du village zurück, den dieser 1752 mitten im französischen Buffonistenstreit komponiert und zur Darstellung seiner naturphilosophischen Gedanken genutzt hat. In der differenzierten musikalischen Zeichnung der drei Protagonisten kündigt sich bereits der spätere Opernpsychologe Mozart an.

Entstehung und Rezeption

Bastien und Bastienne ist Mozarts erstes Singspiel und dazu einer seiner ersten Gehversuche überhaupt im Reich der Oper. Die Entstehungs- und Aufführungsgeschichte des Werks lassen sich nur ungefähr rekonstruieren. Anscheinend hat Mozart die einaktige Komödie im Sommer 1768 komponiert, als er sich mit der gesamten Familie in Wien aufhält. Im September des Vorjahres angereist, um die Hochzeit der habsburgischen Erzherzogin Josepha mit Ferdinand IV. von Neapel zu erleben, stecken er und seine Schwester Nannerl sich bei einer ausbrechenden Pockenepidemie an und werden erst Ende des Jahres 1767 wieder gesund. Anschließend verbringt die Familie das darauffolgende Jahr in der kaiserlichen Hauptstadt, beide Kinder treten in Konzerten auf, und der junge Mozart komponiert unter anderem neben seinem ersten Singspiel seine ersten Opera buffa (La finta semplice), Sinfonien und die Waisenhaus-Messe KV 139 zur Einweihung der Wiener Waisenhauskirche am 7. Dezember 1768, deren Aufführung er in Anwesenheit des kaiserlichen Hofes selbst dirigiert.

Mozart Porträt unvollendet_Lange

Mozart am Klavier
unvollendetes Gemälde von
Joseph Lange, 1789
(Mozart-Museum Salzburg)
Postkarte
Carus 40.390/00

Es ist durchaus möglich, dass Bastien und Bastienne im Oktober im Haus des damals als Magnetiseur berühmten Arztes Dr. Anton Mesmer aufgeführt worden ist. Nachweisen lässt es sich nicht, das Gleiche gilt für weitere Aufführungen, auch wenn spätere Textveränderungen durch Johann Andreas Schachtner, Salzburger Hoftrompeter und Gelegenheitsdichter, und von Mozart nachkomponierte Rezitative auf eine geplante Aufführung in Salzburg hinweisen. Eine Aufführung von Bastien und Bastienne lässt sich erst über ein Jahrhundert später, am 2. Oktober 1890 im Architektenhaus in Berlin, nachweisen.

Handlung und Libretto

Die einaktige Komödie spielt auf dem Land und handelt von der Liebe zwischen Bastien und Bastienne, die durch Bastiens Wankelmütigkeit in eine Krise gerät. Bastienne beklagt den Verlust ihres Geliebten, den zwar nicht die Reize, dafür aber die Geschenke der Edelfrau vom Schloss faszinieren. Der Dorfweise Colas empfiehlt ihr, ihm vorzuspielen, in jemand anderen verliebt zu sein. Ihre abweisende Haltung zeigt Wirkung, Bastien bittet nun Colas um Rat, da er seine Bastienne nicht verlieren will und dafür auf das Gold der Edelfrau verzichten kann. Colas spielt ihm eine bizarre Zauberzeremonie vor, die angeblich die Geliebte zurückgewinnen wird und Bastien einen heftigen Schrecken einjagt. Mit dem Rat, künftig auf sein wahres Glück besser Acht zu geben, entlässt er ihn. Bei Bastienne trifft der reuige Liebhaber zunächst weiter auf trotzige Ablehnung, auch seine Drohung, sich umzubringen, kann sie nicht erweichen. Als er schwört, sie bis zum Tod zu lieben, finden sie wieder zusammen. Colas traut die Beiden, und mit einem Lobgesang auf den weisen „Zauberer“ klingt das Werk aus.

Mit der Vertonung eines ursprünglich französischen Stoffs für ein deutsches Singspiel macht sich der junge Mozart zugleich mit der zeitgenössischen französischen Opéra comique vertraut. Das Vorbild für seine einaktige Komödie ist Jean-Jacques Rousseaus Einakter Le dévin du village (Der Dorfwahrsager), den dieser 1752 inmitten eines der berühmt-berüchtigten Opernstreite in Frankreich komponiert hat. In dieser „Querelle des Bouffons“ stritt man um den Vorzug der italienischen oder der französischen Oper. Rousseaus Ziel ist es gewesen, beide Welten miteinander zu verbinden und aus dem italienischen Intermezzo eine natürliche Sanglichkeit und Schlichtheit des Ausdrucks in die französische Opéra comique zu übertragen. Sein Postulat einer schlichten, volkstümlichen Oper spricht sich für eine unverstellte (nicht-höfische) Kunst und gegen eine „natürliche Künstlichkeit“ aus. Damit wird der Dévin du village zu einem Erfolg in ganz Europa. Bald erscheint in Paris eine Parodie mit dem Titel Les Amours de Bastien et Bastienne, in deren Mittelpunkt nun das Liebespaar anstelle des Dorfwahrsagers steht. Vier Jahre vor Mozarts Komposition veröffentlicht Friedrich Wilhelm Weiskern 1764 eine deutsche Übersetzung dieser Parodie in Wien, die sich schnell allgemeiner Beliebtheit erfreut. Auf diesem Text basiert das Libretto von Mozarts Bastien und Bastienne.

Jean-Jacques Rousseau
Augustin de Saint-Aubin nach
Maurice Quentin de La Tour, 1777

Mozart: Bastien und Bastienne

W. A. Mozart
Bastien und Bastienne
Carus 51.050/00

Musik

Ganz im Geist des Rousseauschen Vorbilds schreibt Mozart eine schlichte, liedhafte Musik in einfachen Takt- und Tonarten. Ein idyllischer Tonfall durchzieht das gesamte Stück, manchmal sogar auffällig garniert mit lautmalerischen, pastoralen Effekten wie Dudelsack-Ritornellen, Orgelpunkten oder Siciliano-Rhythmen. Dass dahinter Absicht (und nicht die Begrenztheit eines jugendlichen Anfängers) steckt, zeigen zwei Arien, die kurz Ausdruckswelten jenseits des Singspiels heraufbeschwören. In Bastiens Arie „Meiner Liebsten schöne Wangen“ meldet sich der französische Stil deutlich zu Wort: im „Tempo di Menuetto“, dem dortigen Hoftanz par excellence, und mit zwei Flöten typisch französisch instrumentiert. Vorangegangen ist ihr die „Beschwörungsarie“ von Colas, in auffällig-schroffem c-Moll und mit hektischen Begleitfiguren sowie Akzenten einer „Aria agitata“ aus der italienischen Opera seria. In solchen gezielten Ausbrüchen aus einem vermeintlich eindeutigen Gattungsrahmen äußert sich bereits der begnadete Opernkomponist Mozart, der später seine Protagonisten in musikalisch differenzierten Psychogrammen darstellen wird.

Ausgabe

Mozart hat für Wien ein typisches, einaktiges Singspiel komponiert, mit einzelnen Musiknummern und gesprochenen Dialogen. Für eine anscheinend später geplante Salzburger Aufführung nimmt er sich das Stück noch einmal vor, der Hofmusikkollege Johann Andreas Schachtner ändert an einigen Stellen den Text, und Mozart beginnt, Seccorezitative als Ersatz für Dialoge zu komponieren (drei sind erhalten). Diese Rezitative für die Partie des Colas notiert er im Altschlüssel (statt im Bassschlüssel) und sieht damit eine andere Stimmlage für sie vor. Bisherige Ausgaben haben die ursprüngliche Wiener Fassung und die spätere Überarbeitung des Werks miteinander vermischt. Ulrich Leisingers Ausgabe trennt erstmalig sauber zwischen beiden. Die neuen Rezitative erscheinen im Anhang, die einzelnen Textänderungen Schachtners werden an den jeweiligen Stellen im Haupttext kursiv unterlegt. Damit kann sowohl Mozarts für Wien gedachte wie seine auf Salzburg zugeschnittene Aufführung realisiert werden.

Dr. Henning Bey arbeitet seit Oktober 2025 als Promotion Manager Bühne und Orchester beim Carus-Verlag. Vorher war er Künstlerischer Planer beim SWR Symphonieorchester, Chefdramaturg der Internationalen Bachakademie Stuttgart und Dramaturg beim Freiburger Barockorchester. Editionserfahrung sammelte er als Mitarbeiter der Neuen Mozart-Ausgabe in Salzburg.

Hasse: Cleofide

Hasse Cleofide Cover

Hasses Oper Cleofide von 1731 kann als der Höhepunkt seines bisherigen Schaffens angesehen werden – nicht zuletzt, weil der Komponist einige der besten Arien aus früheren Werken integrierte. Das antike Thema – Alexanders indische Eroberungen – eignete sich sehr gut, um August dem Starken, einem eher glücklosem Feldherrn, der gerade dabei war, seine Armeen zu reorganisieren, zu schmeicheln. Für den Dresdner Gebrauch wurde Metastasios Originallibretto von Michelangelo Boccardi bearbeitet.

Mozart: Die Zauberflöte für Kinder

Mozart_Zauberflöte für Kinder_Cover

Für eine Kindervorstellung der Zauberflöte! Die Besetzung ist auf neun Singstimmen und neun Instrumente reduziert. Zudem wurde das im Original etwa dreistündige Werk auf eine kinderfreundliche Länge von 90 Minuten gekürzt. Dennoch ist der originale Notentext weitgehend erhalten.

Hasse: Marc’Antonio e Cleopatra

Hasse: Marc’Antonio e Cleopatra_CoverMit diesem Frühwerk, das Hasse als Schüler Alessandro Scarlattis noch ganz unter dessen Einfluss komponierte, konnte Hasse als Komponist in Italien zum ersten Mal öffentlich auf sich aufmerksam machen. Das Libretto stammte von Francesco Ricciardi; die berühmten Sänger Vittoria Tesi und Carlo Broschi (Farinello) sangen die beiden Hauptrollen.

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