Das erste und doch unbekanntere Oratorium
Das Paulus-Oratorium von Mendelssohn ist das Lieblingsstück von Philipp Schweizer.
Das Oratorium Paulus ist das Lieblingsstück von Philipp Schweizer, weil Musik und Inhalt hier Hand in Hand gehen und sich dem Hörer intuitiv erschließen. Die Auseinandersetzung zwischen denen, die Jesus Christus als Gottessohn anerkennen, und denen, die am jüdischen Glauben festhalten, könnte kaum mitreißender dargestellt werden…
Paulus ist das erste der beiden großen Oratorien, die Mendelssohn vollendet hat, und heute im Vergleich zum Elias dennoch das unbekanntere Werk.
Das Oratorium Paulus wurde 1836 uraufgeführt, war zu Lebzeiten Mendelssohns das vielleicht beliebteste seiner Werke überhaupt und fand nicht nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland großen Anklang. Es thematisiert die Geschichte des Apostel Paulus: Dramatisch wird von der Steinigung des Stephanus erzählt, von der „Begegnung“ des Saulus und seinem Damaskuserlebnis hin zum Paulus. Darauf folgen im zweiten Teil des Werks die Missionarsarbeit und die Verkündigung der Lehre Jesu Christi im damaligen Weltreich. Die Auseinandersetzung zwischen denen, die Christus als Gottessohn – also die Christen – anerkennen, und denen, die am jüdischen Glauben festhalten, könnte kaum auf mitreißendere Art dargestellt werden.
Der Paulus ist mein Lieblingsstück, weil Musik und Inhalt hier Hand in Hand gehen und sich dem Hörer intuitiv erschließen: Sei es die Ouvertüre, die den Choral „Wache auf, ruft uns die Stimme“ verarbeitet und als Botschaft an Saulus sowie die Menschheit verstanden werden kann, sei es das Damaskuserlebnis, das dramatisch komponiert und instrumentiert ist und den Zuhörer teilhaben lässt, oder aber der für Mendelssohn ganz typische jubelhafte Schlusschor, der mitreißend und auffordernd zugleich auf die Zuhörer wirkt. Spannend ist zudem auch die Form: Mendelssohn greift auf die alte Bach’sche Tradition der ausgedehnten Passionen zurück, in der Arien, Rezitative und Choräle verbunden werden. Besonders auffällig ist hier die Verwendung des Chores, der wie bei Bach auch im Paulus immer wieder als „Turbachor“, also als Massenszene eines aufgebrachten Volkes, verwendet wird, sowie der Rezitative, in denen ein Erzähler die Handlung darbietet. Und auch kompositorisch finden sich barocke Bezüge in Form von prachtvollen Fugen bis hin zu einer anspruchsvollen Doppelfuge als Abschluss des ersten Teils.
All dies macht es für mich zu einem Werk, das trotz seiner Länge von über zwei Stunden überraschend kurzweilig, spannend und letztlich einfach unglaublich schön ist.
Philipp Schweizer studierte Schulmusik und hispanistische Romanistik und absolviert derzeit ein Masterstudium in Chorleitung bei Michael Alber an der Hochschule für Musik in Trossingen. Seit 2019 unterstützt er den Carus-Verlag als freier Mitarbeiter in den Abteilungen Marketing und Business Development.
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